Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

mein Rücken blaß vor Schrecken, und meine
Wange roth vor Schaam wird. Und ehrlich
gestanden, le credit hat mir im Leben mehr ge¬
nützt, als la religion -- In diesem Augenblick
fällt mir ein, daß ich dem Löwenwirth in Bo¬
logna noch fünf Thaler schuldig bin -- Und
wahrhaftig, ich mache mich anheischig, dem Lö¬
wenwirth noch fünf Thaler extra schuldig zu
seyn, wenn ich nur das unglückselige Wort, la
religion
, in diesem Leben nimmermehr zu hören
brauche.

Parbleu Madame! ich habe es im Französi¬
schen weit gebracht! Ich verstehe nicht nur
Patois, sondern sogar adliges Bonnenfranzösisch.
Noch unlängst, in einer noblen Gesellschaft, ver¬
stand ich fast die Hälfte von dem Diskurs zweier
deutschen Comtessen, wovon jede über vier und
sechszig Jahr' und eben so viele Ahnen zählte.
Ja, im Cafe-Royal zu Berlin hörte ich einmal
den Monsieur Hans Michel Martens französisch

mein Ruͤcken blaß vor Schrecken, und meine
Wange roth vor Schaam wird. Und ehrlich
geſtanden, le crédit hat mir im Leben mehr ge¬
nuͤtzt, als la réligion — In dieſem Augenblick
faͤllt mir ein, daß ich dem Loͤwenwirth in Bo¬
logna noch fuͤnf Thaler ſchuldig bin — Und
wahrhaftig, ich mache mich anheiſchig, dem Loͤ¬
wenwirth noch fuͤnf Thaler extra ſchuldig zu
ſeyn, wenn ich nur das ungluͤckſelige Wort, la
réligion
, in dieſem Leben nimmermehr zu hoͤren
brauche.

Parbleu Madame! ich habe es im Franzoͤſi¬
ſchen weit gebracht! Ich verſtehe nicht nur
Patois, ſondern ſogar adliges Bonnenfranzoͤſiſch.
Noch unlaͤngſt, in einer noblen Geſellſchaft, ver¬
ſtand ich faſt die Haͤlfte von dem Diskurs zweier
deutſchen Comteſſen, wovon jede uͤber vier und
ſechszig Jahr' und eben ſo viele Ahnen zaͤhlte.
Ja, im Café-Royal zu Berlin hoͤrte ich einmal
den Monſieur Hans Michel Martens franzoͤſiſch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0200" n="192"/>
mein Ru&#x0364;cken blaß vor Schrecken, und meine<lb/>
Wange roth vor Schaam wird. Und ehrlich<lb/>
ge&#x017F;tanden, <hi rendition="#aq">le crédit</hi> hat mir im Leben mehr ge¬<lb/>
nu&#x0364;tzt, als <hi rendition="#aq">la réligion</hi> &#x2014; In die&#x017F;em Augenblick<lb/>
fa&#x0364;llt mir ein, daß ich dem Lo&#x0364;wenwirth in Bo¬<lb/>
logna noch fu&#x0364;nf Thaler &#x017F;chuldig bin &#x2014; Und<lb/>
wahrhaftig, ich mache mich anhei&#x017F;chig, dem Lo&#x0364;¬<lb/>
wenwirth noch fu&#x0364;nf Thaler extra &#x017F;chuldig zu<lb/>
&#x017F;eyn, wenn ich nur das unglu&#x0364;ck&#x017F;elige Wort, <hi rendition="#aq">la<lb/>
réligion</hi>, in die&#x017F;em Leben nimmermehr zu ho&#x0364;ren<lb/>
brauche.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#aq">Parbleu Madame</hi>! ich habe es im Franzo&#x0364;&#x017F;<lb/>
&#x017F;chen weit gebracht! Ich ver&#x017F;tehe nicht nur<lb/><hi rendition="#aq">Patois</hi>, &#x017F;ondern &#x017F;ogar adliges Bonnenfranzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;ch.<lb/>
Noch unla&#x0364;ng&#x017F;t, in einer noblen Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft, ver¬<lb/>
&#x017F;tand ich fa&#x017F;t die Ha&#x0364;lfte von dem Diskurs zweier<lb/>
deut&#x017F;chen Comte&#x017F;&#x017F;en, wovon jede u&#x0364;ber vier und<lb/>
&#x017F;echszig Jahr' und eben &#x017F;o viele Ahnen za&#x0364;hlte.<lb/>
Ja, im Café-Royal zu Berlin ho&#x0364;rte ich einmal<lb/>
den Mon&#x017F;ieur Hans Michel Martens franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;ch<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[192/0200] mein Ruͤcken blaß vor Schrecken, und meine Wange roth vor Schaam wird. Und ehrlich geſtanden, le crédit hat mir im Leben mehr ge¬ nuͤtzt, als la réligion — In dieſem Augenblick faͤllt mir ein, daß ich dem Loͤwenwirth in Bo¬ logna noch fuͤnf Thaler ſchuldig bin — Und wahrhaftig, ich mache mich anheiſchig, dem Loͤ¬ wenwirth noch fuͤnf Thaler extra ſchuldig zu ſeyn, wenn ich nur das ungluͤckſelige Wort, la réligion, in dieſem Leben nimmermehr zu hoͤren brauche. Parbleu Madame! ich habe es im Franzoͤſi¬ ſchen weit gebracht! Ich verſtehe nicht nur Patois, ſondern ſogar adliges Bonnenfranzoͤſiſch. Noch unlaͤngſt, in einer noblen Geſellſchaft, ver¬ ſtand ich faſt die Haͤlfte von dem Diskurs zweier deutſchen Comteſſen, wovon jede uͤber vier und ſechszig Jahr' und eben ſo viele Ahnen zaͤhlte. Ja, im Café-Royal zu Berlin hoͤrte ich einmal den Monſieur Hans Michel Martens franzoͤſiſch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/200
Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/200>, abgerufen am 25.11.2024.