geschrieben und eine rothe Perücke trug, und gar pfiffig umhersprang, wenn er seine Art poetique und seine Histoire allemande vortrug -- Er war im ganzen Gymnasium der einzige, welcher deut¬ sche Geschichte lehrte. Indessen auch das Fran¬ zösische hat seine Schwierigkeiten, und zur Er¬ lernung desselben gehört viel Einquartierung, viel Getrommel, viel apprendre par coeur, und vor Allem darf man keine Bete allemande seyn. Da gab es manches saure Wort. Ich erinnere mich noch so gut, als wäre es erst gestern geschehen, daß ich durch la religion viel Unannehmlichkeiten erfahren. Wohl sechsmal erging an mich die Frage: Henry, wie heißt der Glaube auf franzö¬ sisch? Und sechsmal, und immer weinerlicher antwortete ich: das heißt le credit. Und beim siebenten Male, kirschbraun im Gesichte, rief der wüthende Examinator: er heißt la religion -- und es regnete Prügel und alle Cameraden lachten. Madame! seit der Zeit kann ich das Wort Religion nicht erwähnen hören, ohne daß
geſchrieben und eine rothe Peruͤcke trug, und gar pfiffig umherſprang, wenn er ſeine Art poétique und ſeine Histoire allemande vortrug — Er war im ganzen Gymnaſium der einzige, welcher deut¬ ſche Geſchichte lehrte. Indeſſen auch das Fran¬ zoͤſiſche hat ſeine Schwierigkeiten, und zur Er¬ lernung deſſelben gehoͤrt viel Einquartierung, viel Getrommel, viel apprendre par coeur, und vor Allem darf man keine Béte allemande ſeyn. Da gab es manches ſaure Wort. Ich erinnere mich noch ſo gut, als waͤre es erſt geſtern geſchehen, daß ich durch la réligion viel Unannehmlichkeiten erfahren. Wohl ſechsmal erging an mich die Frage: Henry, wie heißt der Glaube auf franzoͤ¬ ſiſch? Und ſechsmal, und immer weinerlicher antwortete ich: das heißt le crédit. Und beim ſiebenten Male, kirſchbraun im Geſichte, rief der wuͤthende Examinator: er heißt la réligion — und es regnete Pruͤgel und alle Cameraden lachten. Madame! ſeit der Zeit kann ich das Wort Réligion nicht erwaͤhnen hoͤren, ohne daß
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pfiffig umherſprang, wenn er ſeine Art poétique
und ſeine Histoire allemande vortrug — Er war
im ganzen Gymnaſium der einzige, welcher deut¬
ſche Geſchichte lehrte. Indeſſen auch das Fran¬
zoͤſiſche hat ſeine Schwierigkeiten, und zur Er¬
lernung deſſelben gehoͤrt viel Einquartierung, viel
Getrommel, viel apprendre par coeur, und vor
Allem darf man keine Béte allemande ſeyn. Da
gab es manches ſaure Wort. Ich erinnere mich
noch ſo gut, als waͤre es erſt geſtern geſchehen,
daß ich durch la réligion viel Unannehmlichkeiten
erfahren. Wohl ſechsmal erging an mich die
Frage: Henry, wie heißt der Glaube auf franzoͤ¬
ſiſch? Und ſechsmal, und immer weinerlicher
antwortete ich: das heißt le crédit. Und beim
ſiebenten Male, kirſchbraun im Geſichte, rief der
wuͤthende Examinator: er heißt la réligion —
und es regnete Pruͤgel und alle Cameraden
lachten. Madame! ſeit der Zeit kann ich das
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/199>, abgerufen am 22.11.2024.
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