Hausthür und besah die einmarschierenden fran¬ zösischen Truppen, das freudige Volk des Ruh¬ mes, das singend und klingend die Welt durch¬ zog, die heiter-ernsten Grenadiergesichter, die Bä¬ renmützen, die dreyfarbigen Kokarden, die blin¬ kenden Bajonette, die Voltigeurs voll Lustig¬ keit und Point d'honneur, und den allmächtig großen, silbergestickten Tambour-Major, der sei¬ nen Stock mit dem vergoldeten Knopf bis an die erste Etage werfen konnte und seine Augen so¬ gar bis zur zweiten Etage -- wo ebenfalls schöne Mädchen am Fenster saßen. Ich freute mich, daß wir Einquartierung bekämen -- meine Mutter freute sich nicht -- und ich eilte nach dem Marktplatz. Da sah es jetzt ganz anders aus, es war, als ob die Welt neu angestrichen worden, ein neues Wappen hing am Rathhause, das Eisengeländer an dessen Balkon war mit gestickten Sammetdecken über¬ hängt, französische Grenadiere standen Schild¬ wache, die alten Herren Rathsherren hat¬
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Hausthuͤr und beſah die einmarſchierenden fran¬ zoͤſiſchen Truppen, das freudige Volk des Ruh¬ mes, das ſingend und klingend die Welt durch¬ zog, die heiter-ernſten Grenadiergeſichter, die Baͤ¬ renmuͤtzen, die dreyfarbigen Kokarden, die blin¬ kenden Bajonette, die Voltigeurs voll Luſtig¬ keit und Point d'honneur, und den allmaͤchtig großen, ſilbergeſtickten Tambour-Major, der ſei¬ nen Stock mit dem vergoldeten Knopf bis an die erſte Etage werfen konnte und ſeine Augen ſo¬ gar bis zur zweiten Etage — wo ebenfalls ſchoͤne Maͤdchen am Fenſter ſaßen. Ich freute mich, daß wir Einquartierung bekaͤmen — meine Mutter freute ſich nicht — und ich eilte nach dem Marktplatz. Da ſah es jetzt ganz anders aus, es war, als ob die Welt neu angeſtrichen worden, ein neues Wappen hing am Rathhauſe, das Eiſengelaͤnder an deſſen Balkon war mit geſtickten Sammetdecken uͤber¬ haͤngt, franzoͤſiſche Grenadiere ſtanden Schild¬ wache, die alten Herren Rathsherren hat¬
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Hausthuͤr und beſah die einmarſchierenden fran¬
zoͤſiſchen Truppen, das freudige Volk des Ruh¬
mes, das ſingend und klingend die Welt durch¬
zog, die heiter-ernſten Grenadiergeſichter, die Baͤ¬
renmuͤtzen, die dreyfarbigen Kokarden, die blin¬
kenden Bajonette, die Voltigeurs voll Luſtig¬
keit und Point d'honneur, und den allmaͤchtig
großen, ſilbergeſtickten Tambour-Major, der ſei¬
nen Stock mit dem vergoldeten Knopf bis an die
erſte Etage werfen konnte und ſeine Augen ſo¬
gar bis zur zweiten Etage — wo ebenfalls
ſchoͤne Maͤdchen am Fenſter ſaßen. Ich freute
mich, daß wir Einquartierung bekaͤmen —
meine Mutter freute ſich nicht — und ich eilte
nach dem Marktplatz. Da ſah es jetzt ganz
anders aus, es war, als ob die Welt neu
angeſtrichen worden, ein neues Wappen hing
am Rathhauſe, das Eiſengelaͤnder an deſſen
Balkon war mit geſtickten Sammetdecken uͤber¬
haͤngt, franzoͤſiſche Grenadiere ſtanden Schild¬
wache, die alten Herren Rathsherren hat¬
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/185>, abgerufen am 22.11.2024.
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