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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827.

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nisch, eine tiefherabhängende Alongeperücke --
Als Knabe hörte ich die Sage, der Künstler,
der diese Statue gegossen, habe während des
Gießens mit Schrecken bemerkt, daß sein Me¬
tall nicht dazu ausreiche, und da wären die
Bürger der Stadt herbeygelaufen, und hätten
ihm ihre silbernen Löffel gebracht, um den Guß
zu vollenden -- und nun stand ich stundenlang
vor dem Reuterbilde, und zerbrach mir den
Kopf: wie viel silberne Löffel wohl darin stecken
mögen, und wie viel Apfeltörtchen man wohl
für all das Silber bekommen könnte? Apfeltört¬
chen waren nämlich damals meine Passion --
jetzt ist es Liebe, Wahrheit, Freyheit und
Krebssuppe -- und eben unweit des Kurfür¬
stenbildes, an der Theaterecke, stand gewöhn¬
lich der wunderlich gebackene, säbelbeinige Kerl,
mit der weißen Schürze und dem umgehäng¬
ten Korbe voll lieblich dampfender Apfeltört¬
chen, die er mit einer unwiderstehlichen Dis¬
kantstimme anzupreisen wußte -- "Die Apfel¬

niſch, eine tiefherabhaͤngende Alongeperuͤcke —
Als Knabe hoͤrte ich die Sage, der Kuͤnſtler,
der dieſe Statue gegoſſen, habe waͤhrend des
Gießens mit Schrecken bemerkt, daß ſein Me¬
tall nicht dazu ausreiche, und da waͤren die
Buͤrger der Stadt herbeygelaufen, und haͤtten
ihm ihre ſilbernen Loͤffel gebracht, um den Guß
zu vollenden — und nun ſtand ich ſtundenlang
vor dem Reuterbilde, und zerbrach mir den
Kopf: wie viel ſilberne Loͤffel wohl darin ſtecken
moͤgen, und wie viel Apfeltoͤrtchen man wohl
fuͤr all das Silber bekommen koͤnnte? Apfeltoͤrt¬
chen waren naͤmlich damals meine Paſſion —
jetzt iſt es Liebe, Wahrheit, Freyheit und
Krebsſuppe — und eben unweit des Kurfuͤr¬
ſtenbildes, an der Theaterecke, ſtand gewoͤhn¬
lich der wunderlich gebackene, ſaͤbelbeinige Kerl,
mit der weißen Schuͤrze und dem umgehaͤng¬
ten Korbe voll lieblich dampfender Apfeltoͤrt¬
chen, die er mit einer unwiderſtehlichen Dis¬
kantſtimme anzupreiſen wußte — “Die Apfel¬

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[170/0178] niſch, eine tiefherabhaͤngende Alongeperuͤcke — Als Knabe hoͤrte ich die Sage, der Kuͤnſtler, der dieſe Statue gegoſſen, habe waͤhrend des Gießens mit Schrecken bemerkt, daß ſein Me¬ tall nicht dazu ausreiche, und da waͤren die Buͤrger der Stadt herbeygelaufen, und haͤtten ihm ihre ſilbernen Loͤffel gebracht, um den Guß zu vollenden — und nun ſtand ich ſtundenlang vor dem Reuterbilde, und zerbrach mir den Kopf: wie viel ſilberne Loͤffel wohl darin ſtecken moͤgen, und wie viel Apfeltoͤrtchen man wohl fuͤr all das Silber bekommen koͤnnte? Apfeltoͤrt¬ chen waren naͤmlich damals meine Paſſion — jetzt iſt es Liebe, Wahrheit, Freyheit und Krebsſuppe — und eben unweit des Kurfuͤr¬ ſtenbildes, an der Theaterecke, ſtand gewoͤhn¬ lich der wunderlich gebackene, ſaͤbelbeinige Kerl, mit der weißen Schuͤrze und dem umgehaͤng¬ ten Korbe voll lieblich dampfender Apfeltoͤrt¬ chen, die er mit einer unwiderſtehlichen Dis¬ kantſtimme anzupreiſen wußte — “Die Apfel¬

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/178>, abgerufen am 22.11.2024.