zeigt, worin ich das Licht der Welt erblickt, und den Hühnerwinkel, worin mich Vater ge¬ wöhnlich einsperrte, wenn ich Trauben genascht, und auch die braune Thüre, worauf Mutter mich die Buchstaben mit Kreide schreiben lehrte -- ach Gott! Madame, wenn ich ein berühm¬ ter Schriftsteller werde, so hat das meiner armen Mutter genug Mühe gekostet.
Aber mein Ruhm schläft jetzt noch in den Marmorbrüchen von Carrara, der Makulatur- Lorbeer, womit deutsche Journale meine Stirne geschmückt, hat seinen Duft noch nicht durch die ganze Welt verbreitet, und wenn jetzt die grünverschleyerten, vornehmen Engländerinnen nach Düsseldorf kommen, so lassen sie das be¬ rühmte Haus noch unbesichtigt und gehn direct nach dem Marktplatz, und betrachten die dort in der Mitte stehende, schwarze, kolossale Reu¬ terstatue. Diese soll den Kurfürsten Jan Wil¬ helm vorstellen. Er trägt einen schwarzen Har¬
zeigt, worin ich das Licht der Welt erblickt, und den Huͤhnerwinkel, worin mich Vater ge¬ woͤhnlich einſperrte, wenn ich Trauben genaſcht, und auch die braune Thuͤre, worauf Mutter mich die Buchſtaben mit Kreide ſchreiben lehrte — ach Gott! Madame, wenn ich ein beruͤhm¬ ter Schriftſteller werde, ſo hat das meiner armen Mutter genug Muͤhe gekoſtet.
Aber mein Ruhm ſchlaͤft jetzt noch in den Marmorbruͤchen von Carrara, der Makulatur- Lorbeer, womit deutſche Journale meine Stirne geſchmuͤckt, hat ſeinen Duft noch nicht durch die ganze Welt verbreitet, und wenn jetzt die gruͤnverſchleyerten, vornehmen Englaͤnderinnen nach Duͤſſeldorf kommen, ſo laſſen ſie das be¬ ruͤhmte Haus noch unbeſichtigt und gehn direct nach dem Marktplatz, und betrachten die dort in der Mitte ſtehende, ſchwarze, koloſſale Reu¬ terſtatue. Dieſe ſoll den Kurfuͤrſten Jan Wil¬ helm vorſtellen. Er traͤgt einen ſchwarzen Har¬
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zeigt, worin ich das Licht der Welt erblickt,
und den Huͤhnerwinkel, worin mich Vater ge¬
woͤhnlich einſperrte, wenn ich Trauben genaſcht,
und auch die braune Thuͤre, worauf Mutter
mich die Buchſtaben mit Kreide ſchreiben lehrte
— ach Gott! Madame, wenn ich ein beruͤhm¬
ter Schriftſteller werde, ſo hat das meiner
armen Mutter genug Muͤhe gekoſtet.
Aber mein Ruhm ſchlaͤft jetzt noch in den
Marmorbruͤchen von Carrara, der Makulatur-
Lorbeer, womit deutſche Journale meine Stirne
geſchmuͤckt, hat ſeinen Duft noch nicht durch
die ganze Welt verbreitet, und wenn jetzt die
gruͤnverſchleyerten, vornehmen Englaͤnderinnen
nach Duͤſſeldorf kommen, ſo laſſen ſie das be¬
ruͤhmte Haus noch unbeſichtigt und gehn direct
nach dem Marktplatz, und betrachten die dort
in der Mitte ſtehende, ſchwarze, koloſſale Reu¬
terſtatue. Dieſe ſoll den Kurfuͤrſten Jan Wil¬
helm vorſtellen. Er traͤgt einen ſchwarzen Har¬
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/177>, abgerufen am 25.11.2024.
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