noch von Wenigen geehrt, von Vielen verhöhnt, und von Niemanden geliebt! Und es springen heran zu mir die rosenwangigen Knaben, und drücken mir die alte Harfe in die zitternde Hand, und sprechen lachend: du hast schon lange ge¬ schwiegen, du fauler Graukopf, sing' uns wieder Gesänge von den Träumen deiner Jugend.
Dann ergreif' ich die Harfe, und die alten Freuden und Schmerzen erwachen, die Nebel zerrinnen, Thränen blühen wieder aus meinen todten Augen, es frühlingt wieder in meiner Brust, süße Töne der Wehmuth beben in den Saiten der Harfe, ich sehe wieder den blauen Fluß, und die marmornen Palläste, und die schö¬ nen Frauen- und Mädchengesichter -- und ich singe ein Lied von den Blumen der Brenta.
Es wird mein letztes Lied seyn, die Sterne werden mich anblicken wie in den Nächten mei¬ ner Jugend, das verliebte Mondlicht küßt wieder meine Wangen, die Geisterchöre verstorbener
noch von Wenigen geehrt, von Vielen verhoͤhnt, und von Niemanden geliebt! Und es ſpringen heran zu mir die roſenwangigen Knaben, und druͤcken mir die alte Harfe in die zitternde Hand, und ſprechen lachend: du haſt ſchon lange ge¬ ſchwiegen, du fauler Graukopf, ſing' uns wieder Geſaͤnge von den Traͤumen deiner Jugend.
Dann ergreif' ich die Harfe, und die alten Freuden und Schmerzen erwachen, die Nebel zerrinnen, Thraͤnen bluͤhen wieder aus meinen todten Augen, es fruͤhlingt wieder in meiner Bruſt, ſuͤße Toͤne der Wehmuth beben in den Saiten der Harfe, ich ſehe wieder den blauen Fluß, und die marmornen Pallaͤſte, und die ſchoͤ¬ nen Frauen- und Maͤdchengeſichter — und ich ſinge ein Lied von den Blumen der Brenta.
Es wird mein letztes Lied ſeyn, die Sterne werden mich anblicken wie in den Naͤchten mei¬ ner Jugend, das verliebte Mondlicht kuͤßt wieder meine Wangen, die Geiſterchoͤre verſtorbener
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noch von Wenigen geehrt, von Vielen verhoͤhnt,
und von Niemanden geliebt! Und es ſpringen
heran zu mir die roſenwangigen Knaben, und
druͤcken mir die alte Harfe in die zitternde Hand,
und ſprechen lachend: du haſt ſchon lange ge¬
ſchwiegen, du fauler Graukopf, ſing' uns wieder
Geſaͤnge von den Traͤumen deiner Jugend.
Dann ergreif' ich die Harfe, und die alten
Freuden und Schmerzen erwachen, die Nebel
zerrinnen, Thraͤnen bluͤhen wieder aus meinen
todten Augen, es fruͤhlingt wieder in meiner
Bruſt, ſuͤße Toͤne der Wehmuth beben in den
Saiten der Harfe, ich ſehe wieder den blauen
Fluß, und die marmornen Pallaͤſte, und die ſchoͤ¬
nen Frauen- und Maͤdchengeſichter — und ich
ſinge ein Lied von den Blumen der Brenta.
Es wird mein letztes Lied ſeyn, die Sterne
werden mich anblicken wie in den Naͤchten mei¬
ner Jugend, das verliebte Mondlicht kuͤßt wieder
meine Wangen, die Geiſterchoͤre verſtorbener
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/161>, abgerufen am 21.11.2024.
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