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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827.

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O diese einzige Thräne! sie quält mich noch
immer in Gedanken; der Satan, wenn er meine
Seele verderben will, flüstert mir ins Ohr ein
Lied von dieser ungeweinten Thräne, ein fatales
Lied mit einer noch fataleren Melodie -- ach,
nur in der Hölle hört man diese Melodie! --
-- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- -- --
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Wie man im Himmel lebt, Madame, können
Sie sich wohl vorstellen, um so eher, da Sie
verheurathet sind. Dort amüsirt man sich ganz
süperbe, man hat alle mögliche Vergnügungen,
man lebt in lauter Lust und Plaisir, so recht
wie Gott in Frankreich. Man speist von Mor¬
gen bis Abend, und die Küche ist so gut wie
die Jagorsche, die gebratenen Gänse fliegen
herum mit den Sauceschüsselchen im Schnabel, und
fühlen sich geschmeichelt, wenn man sie verzehrt,
butterglänzende Torten wachsen wild wie Son¬
nenblumen, überall Bäche mit Bouillon und

O dieſe einzige Thraͤne! ſie quaͤlt mich noch
immer in Gedanken; der Satan, wenn er meine
Seele verderben will, fluͤſtert mir ins Ohr ein
Lied von dieſer ungeweinten Thraͤne, ein fatales
Lied mit einer noch fataleren Melodie — ach,
nur in der Hoͤlle hoͤrt man dieſe Melodie! —
— — — — — — — — — — — — — —
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Wie man im Himmel lebt, Madame, koͤnnen
Sie ſich wohl vorſtellen, um ſo eher, da Sie
verheurathet ſind. Dort amuͤſirt man ſich ganz
ſuͤperbe, man hat alle moͤgliche Vergnuͤgungen,
man lebt in lauter Luſt und Plaiſir, ſo recht
wie Gott in Frankreich. Man ſpeiſt von Mor¬
gen bis Abend, und die Kuͤche iſt ſo gut wie
die Jagorſche, die gebratenen Gaͤnſe fliegen
herum mit den Sauceſchuͤſſelchen im Schnabel, und
fuͤhlen ſich geſchmeichelt, wenn man ſie verzehrt,
butterglaͤnzende Torten wachſen wild wie Son¬
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[134/0142] O dieſe einzige Thraͤne! ſie quaͤlt mich noch immer in Gedanken; der Satan, wenn er meine Seele verderben will, fluͤſtert mir ins Ohr ein Lied von dieſer ungeweinten Thraͤne, ein fatales Lied mit einer noch fataleren Melodie — ach, nur in der Hoͤlle hoͤrt man dieſe Melodie! — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — — Wie man im Himmel lebt, Madame, koͤnnen Sie ſich wohl vorſtellen, um ſo eher, da Sie verheurathet ſind. Dort amuͤſirt man ſich ganz ſuͤperbe, man hat alle moͤgliche Vergnuͤgungen, man lebt in lauter Luſt und Plaiſir, ſo recht wie Gott in Frankreich. Man ſpeiſt von Mor¬ gen bis Abend, und die Kuͤche iſt ſo gut wie die Jagorſche, die gebratenen Gaͤnſe fliegen herum mit den Sauceſchuͤſſelchen im Schnabel, und fuͤhlen ſich geſchmeichelt, wenn man ſie verzehrt, butterglaͤnzende Torten wachſen wild wie Son¬ nenblumen, uͤberall Baͤche mit Bouillon und

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/142>, abgerufen am 23.11.2024.