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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827.

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trübten Herzens, ein deutsches Blatt zur Hand,
und suche darin die Momente eines Volkslebens,
und finde nichts als literarische Fraubasereyen
und Theatergeklätsche.

Und doch ist es nicht anders zu erwarten.
Ist in einem Volke alles öffentliche Leben unter¬
drückt, so sucht es dennoch Gegenstände für ge¬
meinsame Besprechung, und dazu dienen ihm in
Deutschland seine Schriftsteller und Comödianten.
Statt Pferderennen haben wir ein Bücherrennen
nach der Leipziger Messe. Statt Boxen haben
wir Mystiker und Rationalisten, die sich in ihren
Pamphlets herumbalgen, bis die Einen zur Ver¬
nunft kommen, und den Anderen Hören und
Sehen vergeht und der Glauben bey ihnen Ein¬
gang findet. Statt Hahnenkämpfe haben wir
Journale, worin arme Teufel, die man dafür
füttert, sich einander den guten Namen zerreißen,
während die Philister freudig ausrufen: sieh! das ist
ein Haupthahn! dem dort schwillt der Kamm! der
hat einen scharfen Schnabel! das junge Hähnchen

truͤbten Herzens, ein deutſches Blatt zur Hand,
und ſuche darin die Momente eines Volkslebens,
und finde nichts als literariſche Fraubaſereyen
und Theatergeklaͤtſche.

Und doch iſt es nicht anders zu erwarten.
Iſt in einem Volke alles oͤffentliche Leben unter¬
druͤckt, ſo ſucht es dennoch Gegenſtaͤnde fuͤr ge¬
meinſame Beſprechung, und dazu dienen ihm in
Deutſchland ſeine Schriftſteller und Comoͤdianten.
Statt Pferderennen haben wir ein Buͤcherrennen
nach der Leipziger Meſſe. Statt Boxen haben
wir Myſtiker und Rationaliſten, die ſich in ihren
Pamphlets herumbalgen, bis die Einen zur Ver¬
nunft kommen, und den Anderen Hoͤren und
Sehen vergeht und der Glauben bey ihnen Ein¬
gang findet. Statt Hahnenkaͤmpfe haben wir
Journale, worin arme Teufel, die man dafuͤr
fuͤttert, ſich einander den guten Namen zerreißen,
waͤhrend die Philiſter freudig ausrufen: ſieh! das iſt
ein Haupthahn! dem dort ſchwillt der Kamm! der
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[112/0120] truͤbten Herzens, ein deutſches Blatt zur Hand, und ſuche darin die Momente eines Volkslebens, und finde nichts als literariſche Fraubaſereyen und Theatergeklaͤtſche. Und doch iſt es nicht anders zu erwarten. Iſt in einem Volke alles oͤffentliche Leben unter¬ druͤckt, ſo ſucht es dennoch Gegenſtaͤnde fuͤr ge¬ meinſame Beſprechung, und dazu dienen ihm in Deutſchland ſeine Schriftſteller und Comoͤdianten. Statt Pferderennen haben wir ein Buͤcherrennen nach der Leipziger Meſſe. Statt Boxen haben wir Myſtiker und Rationaliſten, die ſich in ihren Pamphlets herumbalgen, bis die Einen zur Ver¬ nunft kommen, und den Anderen Hoͤren und Sehen vergeht und der Glauben bey ihnen Ein¬ gang findet. Statt Hahnenkaͤmpfe haben wir Journale, worin arme Teufel, die man dafuͤr fuͤttert, ſich einander den guten Namen zerreißen, waͤhrend die Philiſter freudig ausrufen: ſieh! das iſt ein Haupthahn! dem dort ſchwillt der Kamm! der hat einen ſcharfen Schnabel! das junge Haͤhnchen

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/120>, abgerufen am 24.11.2024.