Solche Beschreibung oder Prophezeyung des Untergangs einer Heldenwelt ist Grundton und Stoff der epischen Dichtungen aller Völker. Auf den Felsen von Ellore und anderer indischer Grottentempel steht solche epische Katastrophe ein¬ gegraben mit Riesenhieroglyphen, deren Schlüssel im Mahabarata zu finden ist; der Norden hat in nicht minder steinernen Worten, in seiner Edda, diesen Götteruntergang ausgesprochen; das Lied der Nibelungen besingt dasselbe tragische Verderben, und hat, in seinem Schlusse, noch ganz besondere Aehnlichkeit mit der Segürschen Beschreibung des Brandes von Moskau; das Rolandslied von der Schlacht bey Roncisval, dessen Worte verschollen, dessen Sage aber noch nicht erloschen, und noch unlängst von einem der größten Dichter des Vaterlandes, von Im¬ mermann, herauf beschworen worden, ist ebenfalls der alte Unglücksgesang; und gar das Lied von Ilion verherrlicht am schönsten das alte Thema, und ist doch nicht großartiger und schmerzlicher
Solche Beſchreibung oder Prophezeyung des Untergangs einer Heldenwelt iſt Grundton und Stoff der epiſchen Dichtungen aller Voͤlker. Auf den Felſen von Ellore und anderer indiſcher Grottentempel ſteht ſolche epiſche Kataſtrophe ein¬ gegraben mit Rieſenhieroglyphen, deren Schluͤſſel im Mahabarata zu finden iſt; der Norden hat in nicht minder ſteinernen Worten, in ſeiner Edda, dieſen Goͤtteruntergang ausgeſprochen; das Lied der Nibelungen beſingt daſſelbe tragiſche Verderben, und hat, in ſeinem Schluſſe, noch ganz beſondere Aehnlichkeit mit der Seguͤrſchen Beſchreibung des Brandes von Moskau; das Rolandslied von der Schlacht bey Roncisval, deſſen Worte verſchollen, deſſen Sage aber noch nicht erloſchen, und noch unlaͤngſt von einem der groͤßten Dichter des Vaterlandes, von Im¬ mermann, herauf beſchworen worden, iſt ebenfalls der alte Ungluͤcksgeſang; und gar das Lied von Ilion verherrlicht am ſchoͤnſten das alte Thema, und iſt doch nicht großartiger und ſchmerzlicher
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Solche Beſchreibung oder Prophezeyung des
Untergangs einer Heldenwelt iſt Grundton und
Stoff der epiſchen Dichtungen aller Voͤlker. Auf
den Felſen von Ellore und anderer indiſcher
Grottentempel ſteht ſolche epiſche Kataſtrophe ein¬
gegraben mit Rieſenhieroglyphen, deren Schluͤſſel
im Mahabarata zu finden iſt; der Norden hat
in nicht minder ſteinernen Worten, in ſeiner
Edda, dieſen Goͤtteruntergang ausgeſprochen;
das Lied der Nibelungen beſingt daſſelbe tragiſche
Verderben, und hat, in ſeinem Schluſſe, noch
ganz beſondere Aehnlichkeit mit der Seguͤrſchen
Beſchreibung des Brandes von Moskau; das
Rolandslied von der Schlacht bey Roncisval,
deſſen Worte verſchollen, deſſen Sage aber noch
nicht erloſchen, und noch unlaͤngſt von einem
der groͤßten Dichter des Vaterlandes, von Im¬
mermann, herauf beſchworen worden, iſt ebenfalls
der alte Ungluͤcksgeſang; und gar das Lied von
Ilion verherrlicht am ſchoͤnſten das alte Thema,
und iſt doch nicht großartiger und ſchmerzlicher
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/115>, abgerufen am 27.11.2024.
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