"Wir können uns einen Verstand denken, der, weil er nicht wie der unsrige diskursiv, sondern intuitiv ist, vom synthetisch Allgemei¬ nen, der Anschauung eines Ganzen als eines solchen, zum Besonderen geht, das ist, von dem Ganzen zu den Theilen. Hierbey ist gar nicht nöthig zu beweisen, daß ein solcher intellectus archetypus möglich sey, sondern nur daß wir in der Dagegenhaltung unseres diskursiven, der Bil¬ der bedürftigen Verstandes (intellectus ectypus) und der Zufälligkeit einer solchen Beschaffenheit, auf jene Ideen eines intellectus archetypus ge¬ führt werden, diese auch keinen Widerspruch er¬ halte."
Ja, was wir durch langsames Nachdenken und lange Schlußfolgen erkennen, das hatte jener Geist im selben Momente angeschaut und tief begriffen. Daher sein Talent die Zeit, die Gegenwart zu verstehen, ihren Geist zu kajo¬ liren, ihn nie zu beleidigen, und immer zu be¬ nutzen.
7
“Wir koͤnnen uns einen Verſtand denken, der, weil er nicht wie der unſrige diskurſiv, ſondern intuitiv iſt, vom ſynthetiſch Allgemei¬ nen, der Anſchauung eines Ganzen als eines ſolchen, zum Beſonderen geht, das iſt, von dem Ganzen zu den Theilen. Hierbey iſt gar nicht noͤthig zu beweiſen, daß ein ſolcher intellectus archetypus moͤglich ſey, ſondern nur daß wir in der Dagegenhaltung unſeres diskurſiven, der Bil¬ der beduͤrftigen Verſtandes (intellectus ectypus) und der Zufaͤlligkeit einer ſolchen Beſchaffenheit, auf jene Ideen eines intellectus archetypus ge¬ fuͤhrt werden, dieſe auch keinen Widerſpruch er¬ halte.“
Ja, was wir durch langſames Nachdenken und lange Schlußfolgen erkennen, das hatte jener Geiſt im ſelben Momente angeſchaut und tief begriffen. Daher ſein Talent die Zeit, die Gegenwart zu verſtehen, ihren Geiſt zu kajo¬ liren‚ ihn nie zu beleidigen, und immer zu be¬ nutzen.
7
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0105"n="97"/>“Wir koͤnnen uns einen Verſtand denken,<lb/>
der, weil er nicht wie der unſrige diskurſiv,<lb/>ſondern intuitiv iſt, vom ſynthetiſch Allgemei¬<lb/>
nen, der Anſchauung eines Ganzen als eines<lb/>ſolchen, zum Beſonderen geht, das iſt, von dem<lb/>
Ganzen zu den Theilen. Hierbey iſt gar nicht<lb/>
noͤthig zu beweiſen, daß ein ſolcher <hirendition="#aq">intellectus<lb/>
archetypus</hi> moͤglich ſey, ſondern nur daß wir in<lb/>
der Dagegenhaltung unſeres diskurſiven, der Bil¬<lb/>
der beduͤrftigen Verſtandes (<hirendition="#aq">intellectus ectypus</hi>)<lb/>
und der Zufaͤlligkeit einer ſolchen Beſchaffenheit,<lb/>
auf jene Ideen eines <hirendition="#aq">intellectus archetypus</hi> ge¬<lb/>
fuͤhrt werden, dieſe auch keinen Widerſpruch er¬<lb/>
halte.“</p><lb/><p>Ja, was wir durch langſames Nachdenken<lb/>
und lange Schlußfolgen erkennen, das hatte<lb/>
jener Geiſt im ſelben Momente angeſchaut und<lb/>
tief begriffen. Daher ſein Talent die Zeit, die<lb/>
Gegenwart zu verſtehen, ihren Geiſt zu kajo¬<lb/>
liren‚ ihn nie zu beleidigen, und immer zu be¬<lb/>
nutzen.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">7<lb/></fw></div></div></body></text></TEI>
[97/0105]
“Wir koͤnnen uns einen Verſtand denken,
der, weil er nicht wie der unſrige diskurſiv,
ſondern intuitiv iſt, vom ſynthetiſch Allgemei¬
nen, der Anſchauung eines Ganzen als eines
ſolchen, zum Beſonderen geht, das iſt, von dem
Ganzen zu den Theilen. Hierbey iſt gar nicht
noͤthig zu beweiſen, daß ein ſolcher intellectus
archetypus moͤglich ſey, ſondern nur daß wir in
der Dagegenhaltung unſeres diskurſiven, der Bil¬
der beduͤrftigen Verſtandes (intellectus ectypus)
und der Zufaͤlligkeit einer ſolchen Beſchaffenheit,
auf jene Ideen eines intellectus archetypus ge¬
fuͤhrt werden, dieſe auch keinen Widerſpruch er¬
halte.“
Ja, was wir durch langſames Nachdenken
und lange Schlußfolgen erkennen, das hatte
jener Geiſt im ſelben Momente angeſchaut und
tief begriffen. Daher ſein Talent die Zeit, die
Gegenwart zu verſtehen, ihren Geiſt zu kajo¬
liren‚ ihn nie zu beleidigen, und immer zu be¬
nutzen.
7
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/105>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.