Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826.

Bild:
<< vorherige Seite
LXVI.
Von schönen Lippen fortgedrängt, getrieben
Aus schönen Armen, die uns fest umschlossen!
Ich wäre gern noch einen Tag geblieben,
Doch kam der Schwager schon mit seinen Rossen.
Das ist das Leben, Kind, ein ewig Jammern,
Ein ewig Abschiednehmen, ew'ges Trennen!
Konnt' denn dein Herz das mein'ge nicht umklammern?
Hat selbst dein Auge mich nicht halten können?

LXVII.
Wir fuhren allein im dunkeln
Postwagen die ganze Nacht;
Wir ruhten einander am Herzen,
Wir haben gescherzt und gelacht.
Doch als es Morgens tagte,
Mein Kind, wie staunten wir!
Denn zwischen uns saß Amor,
Der blinde Passagier.

5
LXVI.
Von ſchoͤnen Lippen fortgedraͤngt, getrieben
Aus ſchoͤnen Armen, die uns feſt umſchloſſen!
Ich waͤre gern noch einen Tag geblieben,
Doch kam der Schwager ſchon mit ſeinen Roſſen.
Das iſt das Leben, Kind, ein ewig Jammern,
Ein ewig Abſchiednehmen, ew'ges Trennen!
Konnt' denn dein Herz das mein'ge nicht umklammern?
Hat ſelbſt dein Auge mich nicht halten koͤnnen?

LXVII.
Wir fuhren allein im dunkeln
Poſtwagen die ganze Nacht;
Wir ruhten einander am Herzen,
Wir haben geſcherzt und gelacht.
Doch als es Morgens tagte,
Mein Kind, wie ſtaunten wir!
Denn zwiſchen uns ſaß Amor,
Der blinde Paſſagier.

5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0077" n="65"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#aq">LXVI</hi>.<lb/></head>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Von &#x017F;cho&#x0364;nen Lippen fortgedra&#x0364;ngt, getrieben</l><lb/>
              <l>Aus &#x017F;cho&#x0364;nen Armen, die uns fe&#x017F;t um&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en!</l><lb/>
              <l>Ich wa&#x0364;re gern noch einen Tag geblieben,</l><lb/>
              <l>Doch kam der Schwager &#x017F;chon mit &#x017F;einen Ro&#x017F;&#x017F;en.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="2">
              <l>Das i&#x017F;t das Leben, Kind, ein ewig Jammern,</l><lb/>
              <l>Ein ewig Ab&#x017F;chiednehmen, ew'ges Trennen!</l><lb/>
              <l>Konnt' denn dein Herz das mein'ge nicht umklammern?</l><lb/>
              <l>Hat &#x017F;elb&#x017F;t dein Auge mich nicht halten ko&#x0364;nnen?</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
        </div>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#aq">LXVII</hi>.<lb/></head>
          <lg type="poem">
            <lg n="1">
              <l>Wir fuhren allein im dunkeln</l><lb/>
              <l>Po&#x017F;twagen die ganze Nacht;</l><lb/>
              <l>Wir ruhten einander am Herzen,</l><lb/>
              <l>Wir haben ge&#x017F;cherzt und gelacht.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="2">
              <l>Doch als es Morgens tagte,</l><lb/>
              <l>Mein Kind, wie &#x017F;taunten wir!</l><lb/>
              <l>Denn zwi&#x017F;chen uns &#x017F;aß Amor,</l><lb/>
              <l>Der blinde Pa&#x017F;&#x017F;agier.</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <fw place="bottom" type="sig">5<lb/></fw>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[65/0077] LXVI. Von ſchoͤnen Lippen fortgedraͤngt, getrieben Aus ſchoͤnen Armen, die uns feſt umſchloſſen! Ich waͤre gern noch einen Tag geblieben, Doch kam der Schwager ſchon mit ſeinen Roſſen. Das iſt das Leben, Kind, ein ewig Jammern, Ein ewig Abſchiednehmen, ew'ges Trennen! Konnt' denn dein Herz das mein'ge nicht umklammern? Hat ſelbſt dein Auge mich nicht halten koͤnnen? LXVII. Wir fuhren allein im dunkeln Poſtwagen die ganze Nacht; Wir ruhten einander am Herzen, Wir haben geſcherzt und gelacht. Doch als es Morgens tagte, Mein Kind, wie ſtaunten wir! Denn zwiſchen uns ſaß Amor, Der blinde Paſſagier. 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder01_1826
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder01_1826/77
Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder01_1826/77>, abgerufen am 23.11.2024.