wie du leuchtend den Berg hinabläufst. Am lieb¬ sten aber möchte ich unten im Thale stehen und dich auffangen in meine Arme. -- Es ist ein schö¬ ner Tag! Ueberall sehe ich die grüne Farbe, die Farbe der Hoffnung. Ueberall, wie holde Wunder, blühen hervor die Blumen, und auch mein Herz will wieder blühen. Dieses Herz ist auch eine Blume, eine gar wunderliche. Es ist kein beschei¬ denes Veilchen, keine lachende Rose, keine reine Lilie, oder sonstiges Blümchen, das mit artiger Lieblichkeit den Mädchensinn erfreut, und sich hübsch vor den hübschen Busen stecken läßt, und heute welkt und morgen wieder blüht. Dieses Herz gleicht mehr jener schweren, abentheuerlichen Blume aus den Wäldern Brasiliens, die, der Sage nach, alle hundert Jahre nur einmal blüht. Ich erin¬ nere mich, daß ich als Knabe eine solche Blume ge¬ sehen. Wir hörten in der Nacht einen Schuß, wie von einer Pistole, und am folgenden Mor¬ gen erzählten mir die Nachbarskinder, daß es ihre "Aloe" gewesen, die mit solchem Knalle plötz¬
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wie du leuchtend den Berg hinablaͤufſt. Am lieb¬ ſten aber moͤchte ich unten im Thale ſtehen und dich auffangen in meine Arme. — Es iſt ein ſchoͤ¬ ner Tag! Ueberall ſehe ich die gruͤne Farbe, die Farbe der Hoffnung. Ueberall, wie holde Wunder, bluͤhen hervor die Blumen, und auch mein Herz will wieder bluͤhen. Dieſes Herz iſt auch eine Blume, eine gar wunderliche. Es iſt kein beſchei¬ denes Veilchen, keine lachende Roſe, keine reine Lilie, oder ſonſtiges Bluͤmchen, das mit artiger Lieblichkeit den Maͤdchenſinn erfreut, und ſich huͤbſch vor den huͤbſchen Buſen ſtecken laͤßt, und heute welkt und morgen wieder bluͤht. Dieſes Herz gleicht mehr jener ſchweren, abentheuerlichen Blume aus den Waͤldern Braſiliens, die, der Sage nach, alle hundert Jahre nur einmal bluͤht. Ich erin¬ nere mich, daß ich als Knabe eine ſolche Blume ge¬ ſehen. Wir hoͤrten in der Nacht einen Schuß, wie von einer Piſtole, und am folgenden Mor¬ gen erzaͤhlten mir die Nachbarskinder, daß es ihre “Aloe” geweſen, die mit ſolchem Knalle ploͤtz¬
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wie du leuchtend den Berg hinablaͤufſt. Am lieb¬
ſten aber moͤchte ich unten im Thale ſtehen und
dich auffangen in meine Arme. — Es iſt ein ſchoͤ¬
ner Tag! Ueberall ſehe ich die gruͤne Farbe, die
Farbe der Hoffnung. Ueberall, wie holde Wunder,
bluͤhen hervor die Blumen, und auch mein Herz
will wieder bluͤhen. Dieſes Herz iſt auch eine
Blume, eine gar wunderliche. Es iſt kein beſchei¬
denes Veilchen, keine lachende Roſe, keine reine
Lilie, oder ſonſtiges Bluͤmchen, das mit artiger
Lieblichkeit den Maͤdchenſinn erfreut, und ſich huͤbſch
vor den huͤbſchen Buſen ſtecken laͤßt, und heute
welkt und morgen wieder bluͤht. Dieſes Herz gleicht
mehr jener ſchweren, abentheuerlichen Blume aus
den Waͤldern Braſiliens, die, der Sage nach,
alle hundert Jahre nur einmal bluͤht. Ich erin¬
nere mich, daß ich als Knabe eine ſolche Blume ge¬
ſehen. Wir hoͤrten in der Nacht einen Schuß,
wie von einer Piſtole, und am folgenden Mor¬
gen erzaͤhlten mir die Nachbarskinder, daß es ihre
“Aloe” geweſen, die mit ſolchem Knalle ploͤtz¬
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder01_1826/269>, abgerufen am 22.11.2024.
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