sie ist schön. Und jetzt steht sie vor meiner Ein¬ bildung mit all ihrem stillen Liebreiz, und scheint zu sagen: wenn ich auch lache, so meyne ich es doch gut mit Ihnen, und ich bitte Sie, besingen Sie mich. Die herrliche Bode tritt ebenfalls hervor in meiner Erinnerung, und ihr dunkles Auge spricht: du gleichst mir im Stolz und im Schmerze, und ich will, daß du mich liebst. Auch die schöne Ilse kommt herangesprungen, zierlich und bezau¬ bernd in Miene, Gestalt und Bewegung; sie gleicht ganz dem holden Wesen, das meine Träume beseligt, und ganz, wie Sie, schaut sie mich an, mit unwiderstehlicher Gleichgültigkeit und doch zu¬ gleich so innig, so ewig, so durchsichtig wahr -- Nun, ich bin Paris, die drey Göttinnen ste¬ hen vor mir, und den Apfel gebe ich der schönen Ilse.
Es ist heute der erste May, wie ein Meer des Lebens ergießt sich der Frühling über die Erde, der weiße Blüthenschaum bleibt an den Bäumen hängen, ein weiter, warmer Nebelglanz verbrei¬
ſie iſt ſchoͤn. Und jetzt ſteht ſie vor meiner Ein¬ bildung mit all ihrem ſtillen Liebreiz, und ſcheint zu ſagen: wenn ich auch lache, ſo meyne ich es doch gut mit Ihnen, und ich bitte Sie, beſingen Sie mich. Die herrliche Bode tritt ebenfalls hervor in meiner Erinnerung, und ihr dunkles Auge ſpricht: du gleichſt mir im Stolz und im Schmerze, und ich will, daß du mich liebſt. Auch die ſchoͤne Ilſe kommt herangeſprungen, zierlich und bezau¬ bernd in Miene, Geſtalt und Bewegung; ſie gleicht ganz dem holden Weſen, das meine Traͤume beſeligt, und ganz, wie Sie, ſchaut ſie mich an, mit unwiderſtehlicher Gleichguͤltigkeit und doch zu¬ gleich ſo innig, ſo ewig, ſo durchſichtig wahr — Nun, ich bin Paris, die drey Goͤttinnen ſte¬ hen vor mir, und den Apfel gebe ich der ſchoͤnen Ilſe.
Es iſt heute der erſte May, wie ein Meer des Lebens ergießt ſich der Fruͤhling uͤber die Erde, der weiße Bluͤthenſchaum bleibt an den Baͤumen haͤngen, ein weiter, warmer Nebelglanz verbrei¬
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ſie iſt ſchoͤn. Und jetzt ſteht ſie vor meiner Ein¬
bildung mit all ihrem ſtillen Liebreiz, und ſcheint
zu ſagen: wenn ich auch lache, ſo meyne ich es doch
gut mit Ihnen, und ich bitte Sie, beſingen Sie
mich. Die herrliche Bode tritt ebenfalls hervor
in meiner Erinnerung, und ihr dunkles Auge
ſpricht: du gleichſt mir im Stolz und im Schmerze,
und ich will, daß du mich liebſt. Auch die ſchoͤne
Ilſe kommt herangeſprungen, zierlich und bezau¬
bernd in Miene, Geſtalt und Bewegung; ſie
gleicht ganz dem holden Weſen, das meine Traͤume
beſeligt, und ganz, wie Sie, ſchaut ſie mich an,
mit unwiderſtehlicher Gleichguͤltigkeit und doch zu¬
gleich ſo innig, ſo ewig, ſo durchſichtig wahr —
Nun, ich bin Paris, die drey Goͤttinnen ſte¬
hen vor mir, und den Apfel gebe ich der ſchoͤnen
Ilſe.
Es iſt heute der erſte May, wie ein Meer des
Lebens ergießt ſich der Fruͤhling uͤber die Erde,
der weiße Bluͤthenſchaum bleibt an den Baͤumen
haͤngen, ein weiter, warmer Nebelglanz verbrei¬
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder01_1826/267>, abgerufen am 22.11.2024.
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