und, wie bekannt ist, alle drey Grazien sind sitzen geblieben.
In welchem Verhältniß der kleine Herr, der die Damen begleitete, zu denselben stehen mochte, konnte ich nicht errathen. Es war eine dünne, merkwürdige Figur. Ein Köpfchen, sparsam be¬ deckt mit grauen Härchen, die über die kurze Stirn bis an die grünlichen Libellen-Augen reichten, die runde Nase weit hervor tretend, dagegen Mund und Kinn sich wieder ängstlich nach den Ohren zu¬ rück ziehend. Dieses Gesichtchen schien aus einem zarten, gelblichen Tone zu bestehn, woraus die Bildhauer ihre ersten Modelle kneten; und wenn die schmalen Lippen zusammen kniffen, zogen sich über die Wangen einige tausend halbkreisartige, feine Fältchen. Der kleine Mann sprach kein Wort, und nur dann und wann, wenn die ältere Dame ihm etwas Freundliches zuflüsterte, lächelte er wie ein Mops, der den Schnupfen hat.
Jene ältere Dame war die Mutter der jünge¬ ren, und auch sie besaß die vornehmsten Formen.
und, wie bekannt iſt, alle drey Grazien ſind ſitzen geblieben.
In welchem Verhaͤltniß der kleine Herr, der die Damen begleitete, zu denſelben ſtehen mochte, konnte ich nicht errathen. Es war eine duͤnne, merkwuͤrdige Figur. Ein Koͤpfchen, ſparſam be¬ deckt mit grauen Haͤrchen, die uͤber die kurze Stirn bis an die gruͤnlichen Libellen-Augen reichten, die runde Naſe weit hervor tretend, dagegen Mund und Kinn ſich wieder aͤngſtlich nach den Ohren zu¬ ruͤck ziehend. Dieſes Geſichtchen ſchien aus einem zarten, gelblichen Tone zu beſtehn, woraus die Bildhauer ihre erſten Modelle kneten; und wenn die ſchmalen Lippen zuſammen kniffen, zogen ſich uͤber die Wangen einige tauſend halbkreisartige, feine Faͤltchen. Der kleine Mann ſprach kein Wort, und nur dann und wann, wenn die aͤltere Dame ihm etwas Freundliches zufluͤſterte, laͤchelte er wie ein Mops, der den Schnupfen hat.
Jene aͤltere Dame war die Mutter der juͤnge¬ ren, und auch ſie beſaß die vornehmſten Formen.
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[208/0220]
und, wie bekannt iſt, alle drey Grazien ſind ſitzen
geblieben.
In welchem Verhaͤltniß der kleine Herr, der
die Damen begleitete, zu denſelben ſtehen mochte,
konnte ich nicht errathen. Es war eine duͤnne,
merkwuͤrdige Figur. Ein Koͤpfchen, ſparſam be¬
deckt mit grauen Haͤrchen, die uͤber die kurze Stirn
bis an die gruͤnlichen Libellen-Augen reichten, die
runde Naſe weit hervor tretend, dagegen Mund
und Kinn ſich wieder aͤngſtlich nach den Ohren zu¬
ruͤck ziehend. Dieſes Geſichtchen ſchien aus einem
zarten, gelblichen Tone zu beſtehn, woraus die
Bildhauer ihre erſten Modelle kneten; und wenn
die ſchmalen Lippen zuſammen kniffen, zogen ſich
uͤber die Wangen einige tauſend halbkreisartige,
feine Faͤltchen. Der kleine Mann ſprach kein
Wort, und nur dann und wann, wenn die aͤltere
Dame ihm etwas Freundliches zufluͤſterte, laͤchelte
er wie ein Mops, der den Schnupfen hat.
Jene aͤltere Dame war die Mutter der juͤnge¬
ren, und auch ſie beſaß die vornehmſten Formen.
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder01_1826/220>, abgerufen am 05.12.2024.
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