Durch seinen Kahlkopf, den er zuweilen mit einer weißen Nebelkappe bedeckt, giebt er sich zwar einen Anstrich von Philiströsität; aber, wie bey manchen andern großen Deutschen, geschieht es aus purer Ironie. Es ist sogar notorisch, daß der Brocken seine burschikosen, phantastischen Zeiten hat, zum Beispiel die erste Mai-Nacht. Dann wirft er seine Nebelkappe jubelnd in die Lüfte, und wird, eben so gut wie wir Uebrigen, recht echtdeutsch roman¬ tisch verrückt.
Ich suchte gleich die schöne Dame in ein Ge¬ spräch zu verflechten; denn Naturschönheiten ge¬ nießt man erst recht, wenn man sich auf der Stelle darüber aussprechen kann. Sie war nicht geistreich, aber aufmerksam sinnig. Wahrhaft vor¬ nehme Formen. Ich meine nicht die gewöhnliche, steife, negative Vornehmheit, die uns genau sagt, was unterlassen werden muß; sondern jene selt¬ nere, freie, positive Vornehmheit, die uns genau sagt, was wir thun dürfen, und die uns, bey aller Unbefangenheit, die höchste gesellige Sicherheit
Durch ſeinen Kahlkopf, den er zuweilen mit einer weißen Nebelkappe bedeckt, giebt er ſich zwar einen Anſtrich von Philiſtroͤſitaͤt; aber, wie bey manchen andern großen Deutſchen, geſchieht es aus purer Ironie. Es iſt ſogar notoriſch, daß der Brocken ſeine burſchikoſen, phantaſtiſchen Zeiten hat, zum Beiſpiel die erſte Mai-Nacht. Dann wirft er ſeine Nebelkappe jubelnd in die Luͤfte, und wird, eben ſo gut wie wir Uebrigen, recht echtdeutſch roman¬ tiſch verruͤckt.
Ich ſuchte gleich die ſchoͤne Dame in ein Ge¬ ſpraͤch zu verflechten; denn Naturſchoͤnheiten ge¬ nießt man erſt recht, wenn man ſich auf der Stelle daruͤber ausſprechen kann. Sie war nicht geiſtreich, aber aufmerkſam ſinnig. Wahrhaft vor¬ nehme Formen. Ich meine nicht die gewoͤhnliche, ſteife, negative Vornehmheit, die uns genau ſagt, was unterlaſſen werden muß; ſondern jene ſelt¬ nere, freie, poſitive Vornehmheit, die uns genau ſagt, was wir thun duͤrfen, und die uns, bey aller Unbefangenheit, die hoͤchſte geſellige Sicherheit
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[206/0218]
Durch ſeinen Kahlkopf, den er zuweilen mit einer
weißen Nebelkappe bedeckt, giebt er ſich zwar einen
Anſtrich von Philiſtroͤſitaͤt; aber, wie bey manchen
andern großen Deutſchen, geſchieht es aus purer
Ironie. Es iſt ſogar notoriſch, daß der Brocken
ſeine burſchikoſen, phantaſtiſchen Zeiten hat, zum
Beiſpiel die erſte Mai-Nacht. Dann wirft er ſeine
Nebelkappe jubelnd in die Luͤfte, und wird, eben
ſo gut wie wir Uebrigen, recht echtdeutſch roman¬
tiſch verruͤckt.
Ich ſuchte gleich die ſchoͤne Dame in ein Ge¬
ſpraͤch zu verflechten; denn Naturſchoͤnheiten ge¬
nießt man erſt recht, wenn man ſich auf der
Stelle daruͤber ausſprechen kann. Sie war nicht
geiſtreich, aber aufmerkſam ſinnig. Wahrhaft vor¬
nehme Formen. Ich meine nicht die gewoͤhnliche,
ſteife, negative Vornehmheit, die uns genau ſagt,
was unterlaſſen werden muß; ſondern jene ſelt¬
nere, freie, poſitive Vornehmheit, die uns genau
ſagt, was wir thun duͤrfen, und die uns, bey aller
Unbefangenheit, die hoͤchſte geſellige Sicherheit
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder01_1826/218>, abgerufen am 04.12.2024.
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