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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826.

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mich während des Lesens ein inneres Grauen durch¬
fröstelte. Auch erregen Gespenster-Erzählungen ein
noch schauerlicheres Gefühl, wenn man sie auf der
Reise liest, und zumal des Nachts, in einer Stadt,
in einem Hause, in einem Zimmer, wo man noch
nie gewesen. Wie viel Gräßliches mag sich schon
zugetragen haben auf diesem Flecke, wo du eben
liegst? so denkt man unwillkührlich. Ueberdies schien
jetzt der Mond so zweideutig in's Zimmer herein,
an der Wand bewegten sich allerley unberufene
Schatten, und als ich mich im Bette aufrichtete,
um hin zu sehen, erblickte ich --

Es giebt nichts Unheimlicheres, als wenn man,
bey Mondschein, das eigne Gesicht zufällig im
Spiegel sieht. In demselben Augenblick schlug
eine schwerfällige, gähnende Glocke, und zwar so
lang und langsam, daß ich nach dem zwölften
Glockenschlage sicher glaubte, es seyen unterdessen
volle vier und zwanzig Stunden verflossen, und
es müßte wieder von vorn anfangen zwölf zu
schlagen. Zwischen dem vorletzten und letzten

mich waͤhrend des Leſens ein inneres Grauen durch¬
froͤſtelte. Auch erregen Geſpenſter-Erzaͤhlungen ein
noch ſchauerlicheres Gefuͤhl, wenn man ſie auf der
Reiſe lieſt, und zumal des Nachts, in einer Stadt,
in einem Hauſe, in einem Zimmer, wo man noch
nie geweſen. Wie viel Graͤßliches mag ſich ſchon
zugetragen haben auf dieſem Flecke, wo du eben
liegſt? ſo denkt man unwillkuͤhrlich. Ueberdies ſchien
jetzt der Mond ſo zweideutig in's Zimmer herein,
an der Wand bewegten ſich allerley unberufene
Schatten, und als ich mich im Bette aufrichtete,
um hin zu ſehen, erblickte ich —

Es giebt nichts Unheimlicheres, als wenn man,
bey Mondſchein, das eigne Geſicht zufaͤllig im
Spiegel ſieht. In demſelben Augenblick ſchlug
eine ſchwerfaͤllige, gaͤhnende Glocke, und zwar ſo
lang und langſam, daß ich nach dem zwoͤlften
Glockenſchlage ſicher glaubte, es ſeyen unterdeſſen
volle vier und zwanzig Stunden verfloſſen, und
es muͤßte wieder von vorn anfangen zwoͤlf zu
ſchlagen. Zwiſchen dem vorletzten und letzten

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[175/0187] mich waͤhrend des Leſens ein inneres Grauen durch¬ froͤſtelte. Auch erregen Geſpenſter-Erzaͤhlungen ein noch ſchauerlicheres Gefuͤhl, wenn man ſie auf der Reiſe lieſt, und zumal des Nachts, in einer Stadt, in einem Hauſe, in einem Zimmer, wo man noch nie geweſen. Wie viel Graͤßliches mag ſich ſchon zugetragen haben auf dieſem Flecke, wo du eben liegſt? ſo denkt man unwillkuͤhrlich. Ueberdies ſchien jetzt der Mond ſo zweideutig in's Zimmer herein, an der Wand bewegten ſich allerley unberufene Schatten, und als ich mich im Bette aufrichtete, um hin zu ſehen, erblickte ich — Es giebt nichts Unheimlicheres, als wenn man, bey Mondſchein, das eigne Geſicht zufaͤllig im Spiegel ſieht. In demſelben Augenblick ſchlug eine ſchwerfaͤllige, gaͤhnende Glocke, und zwar ſo lang und langſam, daß ich nach dem zwoͤlften Glockenſchlage ſicher glaubte, es ſeyen unterdeſſen volle vier und zwanzig Stunden verfloſſen, und es muͤßte wieder von vorn anfangen zwoͤlf zu ſchlagen. Zwiſchen dem vorletzten und letzten

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder01_1826/187>, abgerufen am 05.12.2024.