terwek, Wegscheider, u. s. w. Zufällig ist es mir selbst höchst ersprießlich, daß diese Leute so manches verjährte Uebel forträumen, besonders den alten Kirchenschutt, worunter so viele Schlangen und böse Dünste. Die Luft wird in Deutschland zu dick und auch zu heiß, und oft fürchte ich zu ersticken, oder von meinen geliebten Mitmystikern, in ihrer Liebeshitze, erwürgt zu werden. Drum will ich auch den guten Rationalisten nichts weniger als böse seyn, wenn sie die Luft etwas gar zu sehr verdünnen und etwas gar zu sehr abkühlen. Im Grunde hat ja die Natur selbst dem Nationalismus seine Gren¬ zen gesteckt; unter der Luftpumpe und am Nordpol kann der Mensch es nicht aushalten.
In jener Nacht, die ich in Goslar zubrachte, ist mir etwas höchst Seltsames begegnet. Noch immer kann ich nicht ohne Angst daran zurück denken. Ich bin von Natur nicht ängstlich, und Gott weiß, daß ich niemals eine sonderliche Beklemmung em¬ pfunden habe, wenn z. B. eine blanke Klinge mit meiner Nase Bekanntschaft zu machen suchte, oder
terwek, Wegſcheider, u. ſ. w. Zufaͤllig iſt es mir ſelbſt hoͤchſt erſprießlich, daß dieſe Leute ſo manches verjaͤhrte Uebel fortraͤumen, beſonders den alten Kirchenſchutt, worunter ſo viele Schlangen und boͤſe Duͤnſte. Die Luft wird in Deutſchland zu dick und auch zu heiß, und oft fuͤrchte ich zu erſticken, oder von meinen geliebten Mitmyſtikern, in ihrer Liebeshitze, erwuͤrgt zu werden. Drum will ich auch den guten Rationaliſten nichts weniger als boͤſe ſeyn, wenn ſie die Luft etwas gar zu ſehr verduͤnnen und etwas gar zu ſehr abkuͤhlen. Im Grunde hat ja die Natur ſelbſt dem Nationalismus ſeine Gren¬ zen geſteckt; unter der Luftpumpe und am Nordpol kann der Menſch es nicht aushalten.
In jener Nacht, die ich in Goslar zubrachte, iſt mir etwas hoͤchſt Seltſames begegnet. Noch immer kann ich nicht ohne Angſt daran zuruͤck denken. Ich bin von Natur nicht aͤngſtlich, und Gott weiß, daß ich niemals eine ſonderliche Beklemmung em¬ pfunden habe, wenn z. B. eine blanke Klinge mit meiner Naſe Bekanntſchaft zu machen ſuchte, oder
<TEI><text><body><divtype="poem"n="1"><p><pbfacs="#f0183"n="171"/>
terwek, Wegſcheider, u. ſ. w. Zufaͤllig iſt es mir<lb/>ſelbſt hoͤchſt erſprießlich, daß dieſe Leute ſo manches<lb/>
verjaͤhrte Uebel fortraͤumen, beſonders den alten<lb/>
Kirchenſchutt, worunter ſo viele Schlangen und boͤſe<lb/>
Duͤnſte. Die Luft wird in Deutſchland zu dick<lb/>
und auch zu heiß, und oft fuͤrchte ich zu erſticken,<lb/>
oder von meinen geliebten Mitmyſtikern, in ihrer<lb/>
Liebeshitze, erwuͤrgt zu werden. Drum will ich auch<lb/>
den guten Rationaliſten nichts weniger als boͤſe<lb/>ſeyn, wenn ſie die Luft etwas gar zu ſehr verduͤnnen<lb/>
und etwas gar zu ſehr abkuͤhlen. Im Grunde hat<lb/>
ja die Natur ſelbſt dem Nationalismus ſeine Gren¬<lb/>
zen geſteckt; unter der Luftpumpe und am Nordpol<lb/>
kann der Menſch es nicht aushalten.</p><lb/><p>In jener Nacht, die ich in Goslar zubrachte, iſt<lb/>
mir etwas hoͤchſt Seltſames begegnet. Noch immer<lb/>
kann ich nicht ohne Angſt daran zuruͤck denken. Ich<lb/>
bin von Natur nicht aͤngſtlich, und Gott weiß,<lb/>
daß ich niemals eine ſonderliche Beklemmung em¬<lb/>
pfunden habe, wenn z. B. eine blanke Klinge mit<lb/>
meiner Naſe Bekanntſchaft zu machen ſuchte, oder<lb/></p></div></body></text></TEI>
[171/0183]
terwek, Wegſcheider, u. ſ. w. Zufaͤllig iſt es mir
ſelbſt hoͤchſt erſprießlich, daß dieſe Leute ſo manches
verjaͤhrte Uebel fortraͤumen, beſonders den alten
Kirchenſchutt, worunter ſo viele Schlangen und boͤſe
Duͤnſte. Die Luft wird in Deutſchland zu dick
und auch zu heiß, und oft fuͤrchte ich zu erſticken,
oder von meinen geliebten Mitmyſtikern, in ihrer
Liebeshitze, erwuͤrgt zu werden. Drum will ich auch
den guten Rationaliſten nichts weniger als boͤſe
ſeyn, wenn ſie die Luft etwas gar zu ſehr verduͤnnen
und etwas gar zu ſehr abkuͤhlen. Im Grunde hat
ja die Natur ſelbſt dem Nationalismus ſeine Gren¬
zen geſteckt; unter der Luftpumpe und am Nordpol
kann der Menſch es nicht aushalten.
In jener Nacht, die ich in Goslar zubrachte, iſt
mir etwas hoͤchſt Seltſames begegnet. Noch immer
kann ich nicht ohne Angſt daran zuruͤck denken. Ich
bin von Natur nicht aͤngſtlich, und Gott weiß,
daß ich niemals eine ſonderliche Beklemmung em¬
pfunden habe, wenn z. B. eine blanke Klinge mit
meiner Naſe Bekanntſchaft zu machen ſuchte, oder
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder01_1826/183>, abgerufen am 04.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.