schmaragdnen Kleidern, und ich schnüre den Ran¬ zen und wandre.
In diesen philosophischen Betrachtungen und Privatgefühlen überraschte mich der Besuch des Hofrath B., der kurz vorher ebenfalls nach Goslar gekommen war. Zu keiner Stunde hätte ich die wohlwollende Gemüthlichkeit dieses Mannes tiefer empfinden können. Ich verehre ihn wegen seines ausgezeichneten, erfolgreichen Scharfsinns; noch mehr aber wegen seiner Bescheidenheit. Ich fand ihn ungemein heiter, frisch und rüstig. Daß er letzteres ist, bewies er jüngst durch sein neues Werk: "Die Religion der Vernunft," ein Buch, das die Nationalisten so sehr entzückt, die Mystiker ärgert, und das große Publikum in Bewegung setzt. Ich selbst bin zwar in diesem Augenblick ein Mystiker, meiner Gesundheit wegen, indem ich, nach der Vor¬ schrift meines Arztes, alle Anreizungen zum Den¬ ken vermeiden soll. Doch verkenne ich nicht den unschätzbaren Werth der rationalistischen Bemühun¬ gen eines Paulus, Gurlitt, Krug, Eichhorn, Bou¬
ſchmaragdnen Kleidern, und ich ſchnuͤre den Ran¬ zen und wandre.
In dieſen philoſophiſchen Betrachtungen und Privatgefuͤhlen uͤberraſchte mich der Beſuch des Hofrath B., der kurz vorher ebenfalls nach Goslar gekommen war. Zu keiner Stunde haͤtte ich die wohlwollende Gemuͤthlichkeit dieſes Mannes tiefer empfinden koͤnnen. Ich verehre ihn wegen ſeines ausgezeichneten, erfolgreichen Scharfſinns; noch mehr aber wegen ſeiner Beſcheidenheit. Ich fand ihn ungemein heiter, friſch und ruͤſtig. Daß er letzteres iſt, bewies er juͤngſt durch ſein neues Werk: „Die Religion der Vernunft,“ ein Buch, das die Nationaliſten ſo ſehr entzuͤckt, die Myſtiker aͤrgert, und das große Publikum in Bewegung ſetzt. Ich ſelbſt bin zwar in dieſem Augenblick ein Myſtiker, meiner Geſundheit wegen, indem ich, nach der Vor¬ ſchrift meines Arztes, alle Anreizungen zum Den¬ ken vermeiden ſoll. Doch verkenne ich nicht den unſchaͤtzbaren Werth der rationaliſtiſchen Bemuͤhun¬ gen eines Paulus, Gurlitt, Krug, Eichhorn, Bou¬
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ſchmaragdnen Kleidern, und ich ſchnuͤre den Ran¬
zen und wandre.
In dieſen philoſophiſchen Betrachtungen und
Privatgefuͤhlen uͤberraſchte mich der Beſuch des
Hofrath B., der kurz vorher ebenfalls nach Goslar
gekommen war. Zu keiner Stunde haͤtte ich die
wohlwollende Gemuͤthlichkeit dieſes Mannes tiefer
empfinden koͤnnen. Ich verehre ihn wegen ſeines
ausgezeichneten, erfolgreichen Scharfſinns; noch
mehr aber wegen ſeiner Beſcheidenheit. Ich fand
ihn ungemein heiter, friſch und ruͤſtig. Daß er
letzteres iſt, bewies er juͤngſt durch ſein neues Werk:
„Die Religion der Vernunft,“ ein Buch, das die
Nationaliſten ſo ſehr entzuͤckt, die Myſtiker aͤrgert,
und das große Publikum in Bewegung ſetzt. Ich
ſelbſt bin zwar in dieſem Augenblick ein Myſtiker,
meiner Geſundheit wegen, indem ich, nach der Vor¬
ſchrift meines Arztes, alle Anreizungen zum Den¬
ken vermeiden ſoll. Doch verkenne ich nicht den
unſchaͤtzbaren Werth der rationaliſtiſchen Bemuͤhun¬
gen eines Paulus, Gurlitt, Krug, Eichhorn, Bou¬
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder01_1826/182>, abgerufen am 04.12.2024.
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