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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826.

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der grünen Erde harmonisch correspondirendes Co¬
lorit, so daß alle Farben einer Gegend wie leise
Musik ineinander schmelzen, und jeder Natur-An¬
blick krampfstillend und gemüthberuhigend wirkt. --
Der selige Hoffmann würde die Wolken buntscheckig
bemalt haben. -- Eben wie ein großer Dichter
weiß die Natur auch mit den wenigsten Mitteln
die größten Effekte hervor zu bringen. Da sind
nur eine Sonne, Bäume, Blumen, Wasser und
Liebe. Freilich, fehlt letztere im Herzen des Be¬
schauers, so mag das Ganze wohl einen schlechten
Anblick gewähren, und die Sonne hat dann blos
so und so viel Meilen im Durchmesser, und die
Bäume sind gut zum Einheizen, und die Blumen
werden nach den Staubfäden classifizirt, und das
Wasser ist naß. -- **! --

Ein kleiner Junge, der für seinen kranken Oheim
im Walde Reisig suchte, zeigte mir das Dorf Lerrbach,
dessen kleine Hütten, mit grauen Dächern, sich über
eine halbe Stunde durch das Thal hinziehen. "Dort,"
sagte er, "wohnen dumme Kropf-Leute und weiße

der gruͤnen Erde harmoniſch correſpondirendes Co¬
lorit, ſo daß alle Farben einer Gegend wie leiſe
Muſik ineinander ſchmelzen, und jeder Natur-An¬
blick krampfſtillend und gemuͤthberuhigend wirkt. —
Der ſelige Hoffmann wuͤrde die Wolken buntſcheckig
bemalt haben. — Eben wie ein großer Dichter
weiß die Natur auch mit den wenigſten Mitteln
die groͤßten Effekte hervor zu bringen. Da ſind
nur eine Sonne, Baͤume, Blumen, Waſſer und
Liebe. Freilich, fehlt letztere im Herzen des Be¬
ſchauers, ſo mag das Ganze wohl einen ſchlechten
Anblick gewaͤhren, und die Sonne hat dann blos
ſo und ſo viel Meilen im Durchmeſſer, und die
Baͤume ſind gut zum Einheizen, und die Blumen
werden nach den Staubfaͤden claſſifizirt, und das
Waſſer iſt naß. — **! —

Ein kleiner Junge, der fuͤr ſeinen kranken Oheim
im Walde Reiſig ſuchte, zeigte mir das Dorf Lerrbach,
deſſen kleine Huͤtten, mit grauen Daͤchern, ſich uͤber
eine halbe Stunde durch das Thal hinziehen. „Dort,“
ſagte er, „wohnen dumme Kropf-Leute und weiße

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[138/0150] der gruͤnen Erde harmoniſch correſpondirendes Co¬ lorit, ſo daß alle Farben einer Gegend wie leiſe Muſik ineinander ſchmelzen, und jeder Natur-An¬ blick krampfſtillend und gemuͤthberuhigend wirkt. — Der ſelige Hoffmann wuͤrde die Wolken buntſcheckig bemalt haben. — Eben wie ein großer Dichter weiß die Natur auch mit den wenigſten Mitteln die groͤßten Effekte hervor zu bringen. Da ſind nur eine Sonne, Baͤume, Blumen, Waſſer und Liebe. Freilich, fehlt letztere im Herzen des Be¬ ſchauers, ſo mag das Ganze wohl einen ſchlechten Anblick gewaͤhren, und die Sonne hat dann blos ſo und ſo viel Meilen im Durchmeſſer, und die Baͤume ſind gut zum Einheizen, und die Blumen werden nach den Staubfaͤden claſſifizirt, und das Waſſer iſt naß. — **! — Ein kleiner Junge, der fuͤr ſeinen kranken Oheim im Walde Reiſig ſuchte, zeigte mir das Dorf Lerrbach, deſſen kleine Huͤtten, mit grauen Daͤchern, ſich uͤber eine halbe Stunde durch das Thal hinziehen. „Dort,“ ſagte er, „wohnen dumme Kropf-Leute und weiße

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder01_1826/150>, abgerufen am 28.11.2024.