Und alle weinten stille Wonnethränen, Und alle jauchzten: Liebe! Liebe! Liebe! Die Schmetterlinge flatterten, die hellen Goldkäfer summten feine Lieblingsliedchen, Die Abendwinde flüsterten, es rauschten Die Eichen, schmelzend sang die Nachtigall -- Und zwischen all dem Flüstern, Rauschen, Singen, Schwatzte mit blechern klanglos kalter Stimme Das welke Weib, das mir am Arme hing. "Ich kenn' Ihr nächtlich Treiben auf dem Schloß; Der lange Schatten ist ein guter Tropf, Er nickt und winkt zu allem was man will; Der Blaurock ist ein Engel; doch der Rothe, Mit blankem Schwert, ist Ihnen spinnefeind." Und noch viel bunt're, wunderliche Reden Schwatzt' sie in einem fort, und setzte sich, Ermüdet, mit mir nieder auf die Moosbank, Die unterm alten Eichenbaume steht.
Da saßen wir beysammen, still und traurig, Und sahn uns an, und wurden immer traur'ger.
Und alle weinten ſtille Wonnethraͤnen, Und alle jauchzten: Liebe! Liebe! Liebe! Die Schmetterlinge flatterten, die hellen Goldkaͤfer ſummten feine Lieblingsliedchen, Die Abendwinde fluͤſterten, es rauſchten Die Eichen, ſchmelzend ſang die Nachtigall — Und zwiſchen all dem Fluͤſtern, Rauſchen, Singen, Schwatzte mit blechern klanglos kalter Stimme Das welke Weib, das mir am Arme hing. „Ich kenn' Ihr naͤchtlich Treiben auf dem Schloß; Der lange Schatten iſt ein guter Tropf, Er nickt und winkt zu allem was man will; Der Blaurock iſt ein Engel; doch der Rothe, Mit blankem Schwert, iſt Ihnen ſpinnefeind.“ Und noch viel bunt're, wunderliche Reden Schwatzt' ſie in einem fort, und ſetzte ſich‚ Ermuͤdet, mit mir nieder auf die Moosbank, Die unterm alten Eichenbaume ſteht.
Da ſaßen wir beyſammen, ſtill und traurig, Und ſahn uns an, und wurden immer traur'ger.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><lgtype="poem"><lgn="3"><pbfacs="#f0102"n="90"/><l>Und alle weinten ſtille Wonnethraͤnen,</l><lb/><l>Und alle jauchzten: Liebe! Liebe! Liebe!</l><lb/><l>Die Schmetterlinge flatterten, die hellen</l><lb/><l>Goldkaͤfer ſummten feine Lieblingsliedchen,</l><lb/><l>Die Abendwinde fluͤſterten, es rauſchten</l><lb/><l>Die Eichen, ſchmelzend ſang die Nachtigall —</l><lb/><l>Und zwiſchen all dem Fluͤſtern, Rauſchen, Singen,</l><lb/><l>Schwatzte mit blechern klanglos kalter Stimme</l><lb/><l>Das welke Weib, das mir am Arme hing.</l><lb/><l>„Ich kenn' Ihr naͤchtlich Treiben auf dem Schloß;</l><lb/><l>Der lange Schatten iſt ein guter Tropf,</l><lb/><l>Er nickt und winkt zu allem was man will;</l><lb/><l>Der Blaurock iſt ein Engel; doch der Rothe,</l><lb/><l>Mit blankem Schwert, iſt Ihnen ſpinnefeind.“</l><lb/><l>Und noch viel bunt're, wunderliche Reden</l><lb/><l>Schwatzt' ſie in einem fort, und ſetzte ſich‚</l><lb/><l>Ermuͤdet, mit mir nieder auf die Moosbank,</l><lb/><l>Die unterm alten Eichenbaume ſteht.</l><lb/></lg><lgn="4"><l>Da ſaßen wir beyſammen, ſtill und traurig,</l><lb/><l>Und ſahn uns an, und wurden immer traur'ger.</l><lb/></lg></lg></div></div></body></text></TEI>
[90/0102]
Und alle weinten ſtille Wonnethraͤnen,
Und alle jauchzten: Liebe! Liebe! Liebe!
Die Schmetterlinge flatterten, die hellen
Goldkaͤfer ſummten feine Lieblingsliedchen,
Die Abendwinde fluͤſterten, es rauſchten
Die Eichen, ſchmelzend ſang die Nachtigall —
Und zwiſchen all dem Fluͤſtern, Rauſchen, Singen,
Schwatzte mit blechern klanglos kalter Stimme
Das welke Weib, das mir am Arme hing.
„Ich kenn' Ihr naͤchtlich Treiben auf dem Schloß;
Der lange Schatten iſt ein guter Tropf,
Er nickt und winkt zu allem was man will;
Der Blaurock iſt ein Engel; doch der Rothe,
Mit blankem Schwert, iſt Ihnen ſpinnefeind.“
Und noch viel bunt're, wunderliche Reden
Schwatzt' ſie in einem fort, und ſetzte ſich‚
Ermuͤdet, mit mir nieder auf die Moosbank,
Die unterm alten Eichenbaume ſteht.
Da ſaßen wir beyſammen, ſtill und traurig,
Und ſahn uns an, und wurden immer traur'ger.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 1. Hamburg, 1826, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder01_1826/102>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.