Heine, Heinrich: Buch der Lieder. Hamburg, 1827.XVI. An eine Sängerin. Als sie eine alte Romanze sang. Ich denke noch der Zaubervollen, Wie sie zuerst mein Auge sah! Wie ihre Töne lieblich klangen, Und heimlich süß in's Herze drangen, Entrollten Thränen meinen Wangen, -- Ich wußte nicht wie mir geschah. Ein Traum war über mich gekommen: Als sey ich noch ein frommes Kind, Und säße still, beim Lämpchenscheine, In Mutters warmem Kämmerleine, Und läse Mährchen wunderfeine, Derweilen draußen Nacht und Wind. Die Mährchen fangen an zu leben,
Die Ritter steigen aus der Gruft; Bei Ronzisvall da giebt's ein Streiten, Da kommt Herr Roland herzureiten, Viel kühne Degen ihn begleiten, Auch leider Ganelon, der Schuft. XVI. An eine Sängerin. Als ſie eine alte Romanze ſang. Ich denke noch der Zaubervollen, Wie ſie zuerſt mein Auge ſah! Wie ihre Töne lieblich klangen, Und heimlich ſüß in's Herze drangen, Entrollten Thränen meinen Wangen, — Ich wußte nicht wie mir geſchah. Ein Traum war über mich gekommen: Als ſey ich noch ein frommes Kind, Und ſäße ſtill, beim Lämpchenſcheine, In Mutters warmem Kämmerleine, Und läſe Mährchen wunderfeine, Derweilen draußen Nacht und Wind. Die Mährchen fangen an zu leben,
Die Ritter ſteigen aus der Gruft; Bei Ronzisvall da giebt's ein Streiten, Da kommt Herr Roland herzureiten, Viel kühne Degen ihn begleiten, Auch leider Ganelon, der Schuft. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0090" n="82"/> </div> <div n="3"> <head> <hi rendition="#aq">XVI.</hi><lb/> <hi rendition="#g">An eine Sängerin.</hi><lb/> </head> <p rendition="#c">Als ſie eine alte Romanze ſang.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l>Ich denke noch der Zaubervollen,</l><lb/> <l>Wie ſie zuerſt mein Auge ſah!</l><lb/> <l>Wie ihre Töne lieblich klangen,</l><lb/> <l>Und heimlich ſüß in's Herze drangen,</l><lb/> <l>Entrollten Thränen meinen Wangen, —</l><lb/> <l>Ich wußte nicht wie mir geſchah.</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>Ein Traum war über mich gekommen:</l><lb/> <l>Als ſey ich noch ein frommes Kind,</l><lb/> <l>Und ſäße ſtill, beim Lämpchenſcheine,</l><lb/> <l>In Mutters warmem Kämmerleine,</l><lb/> <l>Und läſe Mährchen wunderfeine,</l><lb/> <l>Derweilen draußen Nacht und Wind.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Die Mährchen fangen an zu leben,</l><lb/> <l>Die Ritter ſteigen aus der Gruft;</l><lb/> <l>Bei Ronzisvall da giebt's ein Streiten,</l><lb/> <l>Da kommt Herr Roland herzureiten,</l><lb/> <l>Viel kühne Degen ihn begleiten,</l><lb/> <l>Auch leider Ganelon, der Schuft.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [82/0090]
XVI.
An eine Sängerin.
Als ſie eine alte Romanze ſang.
Ich denke noch der Zaubervollen,
Wie ſie zuerſt mein Auge ſah!
Wie ihre Töne lieblich klangen,
Und heimlich ſüß in's Herze drangen,
Entrollten Thränen meinen Wangen, —
Ich wußte nicht wie mir geſchah.
Ein Traum war über mich gekommen:
Als ſey ich noch ein frommes Kind,
Und ſäße ſtill, beim Lämpchenſcheine,
In Mutters warmem Kämmerleine,
Und läſe Mährchen wunderfeine,
Derweilen draußen Nacht und Wind.
Die Mährchen fangen an zu leben,
Die Ritter ſteigen aus der Gruft;
Bei Ronzisvall da giebt's ein Streiten,
Da kommt Herr Roland herzureiten,
Viel kühne Degen ihn begleiten,
Auch leider Ganelon, der Schuft.
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