Heine, Heinrich: Buch der Lieder. Hamburg, 1827.Der König rief mit stolzem Blick; Der Diener eilt und kehrt zurück. Er trug viel gülden Geräth auf dem Haupt; Das war aus dem Tempel Jehovas geraubt. Und der König ergriff mit frevler Hand Einen heiligen Becher, gefüllt bis am Rand'. Und er leert ihn hastig bis auf den Grund, Und rufet laut mit schäumendem Mund: Jehovah! dir künd' ich auf ewig Hohn, -- Ich bin der König von Babylon! Doch kaum das grause Wort verklang, Dem König ward's heimlich im Busen bang. Das gellende Lachen verstummte zumal; Es wurde leichenstill im Saal. Und sieh! und sieh! an weißer Wand Da kam's hervor wie Menschenhand; Und schrieb, und schrieb an weißer Wand Buchstaben von Feuer, und schrieb und schwand. Der König stieren Blicks da saß,
Mit schlotternden Knien und todtenblaß. Der König rief mit ſtolzem Blick; Der Diener eilt und kehrt zurück. Er trug viel gülden Geräth auf dem Haupt; Das war aus dem Tempel Jehovas geraubt. Und der König ergriff mit frevler Hand Einen heiligen Becher, gefüllt bis am Rand'. Und er leert ihn haſtig bis auf den Grund, Und rufet laut mit ſchäumendem Mund: Jehovah! dir künd' ich auf ewig Hohn, — Ich bin der König von Babylon! Doch kaum das grauſe Wort verklang, Dem König ward's heimlich im Buſen bang. Das gellende Lachen verſtummte zumal; Es wurde leichenſtill im Saal. Und ſieh! und ſieh! an weißer Wand Da kam's hervor wie Menſchenhand; Und ſchrieb, und ſchrieb an weißer Wand Buchſtaben von Feuer, und ſchrieb und ſchwand. Der König ſtieren Blicks da ſaß,
Mit ſchlotternden Knien und todtenblaß. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0080" n="72"/> <lg n="9"> <l>Der König rief mit ſtolzem Blick;</l><lb/> <l>Der Diener eilt und kehrt zurück.</l><lb/> </lg> <lg n="10"> <l>Er trug viel gülden Geräth auf dem Haupt;</l><lb/> <l>Das war aus dem Tempel Jehovas geraubt.</l><lb/> </lg> <lg n="11"> <l>Und der König ergriff mit frevler Hand</l><lb/> <l>Einen heiligen Becher, gefüllt bis am Rand'.</l><lb/> </lg> <lg n="12"> <l>Und er leert ihn haſtig bis auf den Grund,</l><lb/> <l>Und rufet laut mit ſchäumendem Mund:</l><lb/> </lg> <lg n="13"> <l>Jehovah! dir künd' ich auf ewig Hohn, —</l><lb/> <l>Ich bin der König von Babylon!</l><lb/> </lg> <lg n="14"> <l>Doch kaum das grauſe Wort verklang,</l><lb/> <l>Dem König ward's heimlich im Buſen bang.</l><lb/> </lg> <lg n="15"> <l>Das gellende Lachen verſtummte zumal;</l><lb/> <l>Es wurde leichenſtill im Saal.</l><lb/> </lg> <lg n="16"> <l>Und ſieh! und ſieh! an weißer Wand</l><lb/> <l>Da kam's hervor wie Menſchenhand;</l><lb/> </lg> <lg n="17"> <l>Und ſchrieb, und ſchrieb an weißer Wand</l><lb/> <l>Buchſtaben von Feuer, und ſchrieb und ſchwand.</l><lb/> </lg> <lg n="18"> <l>Der König ſtieren Blicks da ſaß,</l><lb/> <l>Mit ſchlotternden Knien und todtenblaß.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [72/0080]
Der König rief mit ſtolzem Blick;
Der Diener eilt und kehrt zurück.
Er trug viel gülden Geräth auf dem Haupt;
Das war aus dem Tempel Jehovas geraubt.
Und der König ergriff mit frevler Hand
Einen heiligen Becher, gefüllt bis am Rand'.
Und er leert ihn haſtig bis auf den Grund,
Und rufet laut mit ſchäumendem Mund:
Jehovah! dir künd' ich auf ewig Hohn, —
Ich bin der König von Babylon!
Doch kaum das grauſe Wort verklang,
Dem König ward's heimlich im Buſen bang.
Das gellende Lachen verſtummte zumal;
Es wurde leichenſtill im Saal.
Und ſieh! und ſieh! an weißer Wand
Da kam's hervor wie Menſchenhand;
Und ſchrieb, und ſchrieb an weißer Wand
Buchſtaben von Feuer, und ſchrieb und ſchwand.
Der König ſtieren Blicks da ſaß,
Mit ſchlotternden Knien und todtenblaß.
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Zitationshilfe: | Heine, Heinrich: Buch der Lieder. Hamburg, 1827, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_lieder_1827/80>, abgerufen am 30.07.2024. |