Heine, Heinrich: Buch der Lieder. Hamburg, 1827."Nun so geh in Gottes Namen!" Clara rief's mit fester Stimme, Und dies Wort war kaum entfahren, Und verschwunden war Ramiro. Clara starret, Tod im Antlitz, Kaltumflirret, nachtumwoben; Ohnmacht hat das lichte Bildniß In ihr dunkles Reich gezogen. Endlich weicht der Nebelschlummer, Endlich schlägt sie auf die Wimper; Aber Staunen will auf's neue Ihre holden Augen schließen. Denn derweil der Tanz begonnen War sie nicht vom Sitz gewichen, Und sie sitzt noch bei dem Bräut'gam; Und der Ritter sorgsam bittet: "Sprich, was bleichen deine Wangen?
Sprich, was wird dein Aug so dunkel? -- " "Und Ramiro? -- -- --" schaudert Clara, Und Entsetzen lähmt die Zunge. „Nun ſo geh in Gottes Namen!“ Clara rief's mit feſter Stimme, Und dies Wort war kaum entfahren, Und verſchwunden war Ramiro. Clara ſtarret, Tod im Antlitz, Kaltumflirret, nachtumwoben; Ohnmacht hat das lichte Bildniß In ihr dunkles Reich gezogen. Endlich weicht der Nebelſchlummer, Endlich ſchlägt ſie auf die Wimper; Aber Staunen will auf's neue Ihre holden Augen ſchließen. Denn derweil der Tanz begonnen War ſie nicht vom Sitz gewichen, Und ſie ſitzt noch bei dem Bräut'gam; Und der Ritter ſorgſam bittet: „Sprich, was bleichen deine Wangen?
Sprich, was wird dein Aug ſo dunkel? — “ „Und Ramiro? — — —“ ſchaudert Clara, Und Entſetzen lähmt die Zunge. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0077" n="69"/> <lg n="35"> <l>„Nun ſo geh in Gottes Namen!“</l><lb/> <l>Clara rief's mit feſter Stimme,</l><lb/> <l>Und dies Wort war kaum entfahren,</l><lb/> <l>Und verſchwunden war Ramiro.</l><lb/> </lg> <lg n="36"> <l>Clara ſtarret, Tod im Antlitz,</l><lb/> <l>Kaltumflirret, nachtumwoben;</l><lb/> <l>Ohnmacht hat das lichte Bildniß</l><lb/> <l>In ihr dunkles Reich gezogen.</l><lb/> </lg> <lg n="37"> <l>Endlich weicht der Nebelſchlummer,</l><lb/> <l>Endlich ſchlägt ſie auf die Wimper;</l><lb/> <l>Aber Staunen will auf's neue</l><lb/> <l>Ihre holden Augen ſchließen.</l><lb/> </lg> <lg n="38"> <l>Denn derweil der Tanz begonnen</l><lb/> <l>War ſie nicht vom Sitz gewichen,</l><lb/> <l>Und ſie ſitzt noch bei dem Bräut'gam;</l><lb/> <l>Und der Ritter ſorgſam bittet:</l><lb/> </lg> <lg n="39"> <l>„Sprich, was bleichen deine Wangen?</l><lb/> <l>Sprich, was wird dein Aug ſo dunkel? — “</l><lb/> <l>„Und Ramiro? — — —“ ſchaudert Clara,</l><lb/> <l>Und Entſetzen lähmt die Zunge.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [69/0077]
„Nun ſo geh in Gottes Namen!“
Clara rief's mit feſter Stimme,
Und dies Wort war kaum entfahren,
Und verſchwunden war Ramiro.
Clara ſtarret, Tod im Antlitz,
Kaltumflirret, nachtumwoben;
Ohnmacht hat das lichte Bildniß
In ihr dunkles Reich gezogen.
Endlich weicht der Nebelſchlummer,
Endlich ſchlägt ſie auf die Wimper;
Aber Staunen will auf's neue
Ihre holden Augen ſchließen.
Denn derweil der Tanz begonnen
War ſie nicht vom Sitz gewichen,
Und ſie ſitzt noch bei dem Bräut'gam;
Und der Ritter ſorgſam bittet:
„Sprich, was bleichen deine Wangen?
Sprich, was wird dein Aug ſo dunkel? — “
„Und Ramiro? — — —“ ſchaudert Clara,
Und Entſetzen lähmt die Zunge.
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Zitationshilfe: | Heine, Heinrich: Buch der Lieder. Hamburg, 1827, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_lieder_1827/77>, abgerufen am 17.02.2025. |