Doch böse Zungen zischelten Zwiespalt, Und es trennte sich feindlich Das hohe, leuchtende Eh'paar.
Jetzt am Tage, in einsamer Pracht, Ergeht sich dort oben der Sonnengott, Ob seiner Herrlichkeit Angebetet und vielbesungen Von stolzen, glückgehärteten Menschen. Aber des Nachts Am Himmel wandelt Luna, Die arme Mutter Mit ihren verwaisten Sternenkindern, Und sie glänzt in stummer Wehmuth, Und liebende Mädchen und sanfte Dichter Weihen ihr Thränen und Lieder.
Die weiche Luna! Weiblich gesinnt Liebt sie noch immer den schönen Gemahl. Gegen Abend, zitternd und bleich, Lauscht sie hervor aus leichtem Gewölk, Und schaut nach dem Scheidenden, schmerzlich, Und möchte ihm ängstlich rufen: "Komm! Komm! die Kinder verlangen nach Dir -- " Aber der trotzige Sonnengott,
Doch böſe Zungen ziſchelten Zwieſpalt, Und es trennte ſich feindlich Das hohe, leuchtende Eh'paar.
Jetzt am Tage, in einſamer Pracht, Ergeht ſich dort oben der Sonnengott, Ob ſeiner Herrlichkeit Angebetet und vielbeſungen Von ſtolzen, glückgehärteten Menſchen. Aber des Nachts Am Himmel wandelt Luna, Die arme Mutter Mit ihren verwaiſten Sternenkindern, Und ſie glänzt in ſtummer Wehmuth, Und liebende Mädchen und ſanfte Dichter Weihen ihr Thränen und Lieder.
Die weiche Luna! Weiblich geſinnt Liebt ſie noch immer den ſchönen Gemahl. Gegen Abend, zitternd und bleich, Lauſcht ſie hervor aus leichtem Gewölk, Und ſchaut nach dem Scheidenden, ſchmerzlich, Und möchte ihm ängſtlich rufen: „Komm! Komm! die Kinder verlangen nach Dir — “ Aber der trotzige Sonnengott,
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Doch böſe Zungen ziſchelten Zwieſpalt,
Und es trennte ſich feindlich
Das hohe, leuchtende Eh'paar.
Jetzt am Tage, in einſamer Pracht,
Ergeht ſich dort oben der Sonnengott,
Ob ſeiner Herrlichkeit
Angebetet und vielbeſungen
Von ſtolzen, glückgehärteten Menſchen.
Aber des Nachts
Am Himmel wandelt Luna,
Die arme Mutter
Mit ihren verwaiſten Sternenkindern,
Und ſie glänzt in ſtummer Wehmuth,
Und liebende Mädchen und ſanfte Dichter
Weihen ihr Thränen und Lieder.
Die weiche Luna! Weiblich geſinnt
Liebt ſie noch immer den ſchönen Gemahl.
Gegen Abend, zitternd und bleich,
Lauſcht ſie hervor aus leichtem Gewölk,
Und ſchaut nach dem Scheidenden, ſchmerzlich,
Und möchte ihm ängſtlich rufen: „Komm!
Komm! die Kinder verlangen nach Dir — “
Aber der trotzige Sonnengott,
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Heine, Heinrich: Buch der Lieder. Hamburg, 1827, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_lieder_1827/322>, abgerufen am 22.07.2024.
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