Durch die Religion der Kunst ist der Geist aus der Form der Substanz in die des Subjects getreten, denn sie bringt seine Gestalt hervor, und setzt also in ihr das Thun oder das Selbstbewusstseyn, das in der furcht- baren Substanz nur verschwindet, und im Vertrauen sich nicht selbst erfasst. Diese Menschwerdung des göttlichen Wesens geht von der Bildsäule aus, die nur die äussere Gestalt des Selbsts an ihr hat, das innre aber, ihre Thätigkeit, fällt ausser ihr; im Cul- tus aber sind beyde Seiten eins geworden, in dem Re- sultate der Religion der Kunst ist diese Einheit in ih- rer Vollendung zugleich auch auf das Extrem des Selbsts herübergegangen; in dem Geiste, der in der Einzelnheit des Bewusstseyns seiner vollkommen ge- wiss ist, ist alle Wesenheit versunken. Der Satz, der diesen Leichtsinn ausspricht, lautet so: das Selbst ist das absolute Wesen; das Wesen, das Substanz und an
C. Die offenbare Religion.
Durch die Religion der Kunſt iſt der Geiſt aus der Form der Subſtanz in die des Subjects getreten, denn sie bringt seine Geſtalt hervor, und setzt also in ihr das Thun oder das Selbſtbewuſstseyn, das in der furcht- baren Subſtanz nur verschwindet, und im Vertrauen sich nicht selbſt erfaſst. Diese Menschwerdung des göttlichen Wesens geht von der Bildsäule aus, die nur die äuſſere Geſtalt des Selbſts an ihr hat, das innre aber, ihre Thätigkeit, fällt auſſer ihr; im Cul- tus aber sind beyde Seiten eins geworden, in dem Re- sultate der Religion der Kunſt iſt diese Einheit in ih- rer Vollendung zugleich auch auf das Extrem des Selbſts herübergegangen; in dem Geiſte, der in der Einzelnheit des Bewuſstseyns seiner vollkommen ge- wiſs iſt, iſt alle Wesenheit versunken. Der Satz, der diesen Leichtsinn ausſpricht, lautet so: das Selbſt iſt das absolute Wesen; das Wesen, das Subſtanz und an
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0808"n="699"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><divn="3"><head>C.<lb/><hirendition="#g">Die offenbare Religion</hi>.</head><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p><hirendition="#in">D</hi>urch die Religion der Kunſt iſt der Geiſt aus der<lb/>
Form der <hirendition="#i">Subſtanz</hi> in die des <hirendition="#i">Subjects</hi> getreten, denn<lb/>
sie <hirendition="#i">bringt</hi> seine Geſtalt <hirendition="#i">hervor</hi>, und setzt also in ihr<lb/>
das <hirendition="#i">Thun</hi> oder das <hirendition="#i">Selbſtbewuſstseyn</hi>, das in der furcht-<lb/>
baren Subſtanz nur verschwindet, und im Vertrauen<lb/>
sich nicht selbſt erfaſst. Diese Menschwerdung des<lb/>
göttlichen Wesens geht von der Bildsäule aus,<lb/>
die nur die <hirendition="#i">äuſſere</hi> Geſtalt des Selbſts an ihr hat, das<lb/><hirendition="#i">innre</hi> aber, ihre Thätigkeit, fällt auſſer ihr; im Cul-<lb/>
tus aber sind beyde Seiten eins geworden, in dem Re-<lb/>
sultate der Religion der Kunſt iſt diese Einheit in ih-<lb/>
rer Vollendung zugleich auch auf das Extrem des<lb/>
Selbſts herübergegangen; in dem Geiſte, der in der<lb/>
Einzelnheit des Bewuſstseyns seiner vollkommen ge-<lb/>
wiſs iſt, iſt alle Wesenheit versunken. Der Satz, der<lb/>
diesen Leichtsinn ausſpricht, lautet so: <hirendition="#i">das Selbſt iſt<lb/>
das absolute Wesen</hi>; das Wesen, das Subſtanz und an<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[699/0808]
C.
Die offenbare Religion.
Durch die Religion der Kunſt iſt der Geiſt aus der
Form der Subſtanz in die des Subjects getreten, denn
sie bringt seine Geſtalt hervor, und setzt also in ihr
das Thun oder das Selbſtbewuſstseyn, das in der furcht-
baren Subſtanz nur verschwindet, und im Vertrauen
sich nicht selbſt erfaſst. Diese Menschwerdung des
göttlichen Wesens geht von der Bildsäule aus,
die nur die äuſſere Geſtalt des Selbſts an ihr hat, das
innre aber, ihre Thätigkeit, fällt auſſer ihr; im Cul-
tus aber sind beyde Seiten eins geworden, in dem Re-
sultate der Religion der Kunſt iſt diese Einheit in ih-
rer Vollendung zugleich auch auf das Extrem des
Selbſts herübergegangen; in dem Geiſte, der in der
Einzelnheit des Bewuſstseyns seiner vollkommen ge-
wiſs iſt, iſt alle Wesenheit versunken. Der Satz, der
diesen Leichtsinn ausſpricht, lautet so: das Selbſt iſt
das absolute Wesen; das Wesen, das Subſtanz und an
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 699. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/808>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.