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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807.

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davon in ihr allerdings zu abstrahiren ist, so ist eben-
diss damit gesagt, dass die Kunst das wahre eigentliche
Selbst noch nicht in ihr enthält.

Der allgemeine Boden, worauf die Bewegung die-
ser aus dem Begriffe erzeugten Gestalten vorgeht, ist
das Bewusstseyn der ersten vorstellenden Sprache und
ihres selbstlosen auseinandergelassnen Inhalts. Es ist
das gemeine Volk überhaupt, dessen Weisheit in dem
Chore des Alters zur Sprache kömmt; es hat an dessen
Krafftlosigkeit seinen Representanten, weil es selbst
nur das positive und passive Material der ihm gegenü-
bertretenden Individualität der Regierung ausmacht. Der
Macht des Negativen entbehrend, vermag es den Reich-
thum und die bunte Fülle des göttlichen Lebens nicht
zusammen zu halten und zu bändigen, sondern lässt es
auseinanderlauffen, und preisst jedes einzelne Moment
als einen selbstständigen Gott, bald diesen, bald wie-
der einen andern, in seinen verehrenden Hymnen.
Wo es aber den Ernst des Begriffes, wie er über die-
se Gestalten sie zertrümmernd einherschreitet, ver-
spürt, und es zu sehen bekömmt, wie schlecht es sei-
nen gepriesenen Göttern geht, die sich auf diesen Bo-
den, worauf der Begriff herrscht, wagen, ist es nicht
selbst die negative Macht, die handelnd eingreifft, son-
dern hält sich im selbstlosen Gedanken derselben, im
Bewusstseyn des fremden Schicksals, und bringt den
leeren Wunsch der Beruhigung und die schwache Re-
de der Besänftigung herbey. In der Furcht vor den
höhern Mächten, welche die unmittelbaren Arme der

davon in ihr allerdings zu abstrahiren ist, so ist eben-
diſs damit gesagt, daſs die Kunſt das wahre eigentliche
Selbſt noch nicht in ihr enthält.

Der allgemeine Boden, worauf die Bewegung die-
ser aus dem Begriffe erzeugten Gestalten vorgeht, ist
das Bewuſstſeyn der ersten vorstellenden Sprache und
ihres selbstlosen auseinandergelaſſnen Inhalts. Es ist
das gemeine Volk überhaupt, deſſen Weisheit in dem
Chore des Alters zur Sprache kömmt; es hat an deſſen
Krafftlosigkeit seinen Representanten, weil es selbst
nur das positive und paſſive Material der ihm gegenü-
bertretenden Individualität der Regierung ausmacht. Der
Macht des Negativen entbehrend, vermag es den Reich-
thum und die bunte Fülle des göttlichen Lebens nicht
zusammen zu halten und zu bändigen, sondern läſst es
auseinanderlauffen, und preiſst jedes einzelne Moment
als einen selbstſtändigen Gott, bald diesen, bald wie-
der einen andern, in seinen verehrenden Hymnen.
Wo es aber den Ernst des Begriffes, wie er über die-
se Gestalten sie zertrümmernd einherschreitet, ver-
spürt, und es zu sehen bekömmt, wie schlecht es sei-
nen gepriesenen Göttern geht, die sich auf diesen Bo-
den, worauf der Begriff herrscht, wagen, ist es nicht
selbst die negative Macht, die handelnd eingreifft, son-
dern hält sich im selbstlosen Gedanken derselben, im
Bewuſstseyn des fremden Schicksals, und bringt den
leeren Wunsch der Beruhigung und die schwache Re-
de der Besänftigung herbey. In der Furcht vor den
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[684/0793] davon in ihr allerdings zu abstrahiren ist, so ist eben- diſs damit gesagt, daſs die Kunſt das wahre eigentliche Selbſt noch nicht in ihr enthält. Der allgemeine Boden, worauf die Bewegung die- ser aus dem Begriffe erzeugten Gestalten vorgeht, ist das Bewuſstſeyn der ersten vorstellenden Sprache und ihres selbstlosen auseinandergelaſſnen Inhalts. Es ist das gemeine Volk überhaupt, deſſen Weisheit in dem Chore des Alters zur Sprache kömmt; es hat an deſſen Krafftlosigkeit seinen Representanten, weil es selbst nur das positive und paſſive Material der ihm gegenü- bertretenden Individualität der Regierung ausmacht. Der Macht des Negativen entbehrend, vermag es den Reich- thum und die bunte Fülle des göttlichen Lebens nicht zusammen zu halten und zu bändigen, sondern läſst es auseinanderlauffen, und preiſst jedes einzelne Moment als einen selbstſtändigen Gott, bald diesen, bald wie- der einen andern, in seinen verehrenden Hymnen. Wo es aber den Ernst des Begriffes, wie er über die- se Gestalten sie zertrümmernd einherschreitet, ver- spürt, und es zu sehen bekömmt, wie schlecht es sei- nen gepriesenen Göttern geht, die sich auf diesen Bo- den, worauf der Begriff herrscht, wagen, ist es nicht selbst die negative Macht, die handelnd eingreifft, son- dern hält sich im selbstlosen Gedanken derselben, im Bewuſstseyn des fremden Schicksals, und bringt den leeren Wunsch der Beruhigung und die schwache Re- de der Besänftigung herbey. In der Furcht vor den höhern Mächten, welche die unmittelbaren Arme der

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Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 684. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/793>, abgerufen am 22.11.2024.