klare Daseyn der letztern, und die geistlose Klarheit des letztern in die Innerlichkeit der Erstern aufge- nommen werden. Das vollkommne Element, worin die Innerlichkeit ebenso äusserlich, als die Aeusser- lichkeit innerlich ist, ist wieder die Sprache, aber weder die in ihrem Inhalte ganz zufällige und einzel- ne des Orakels, noch die empfindende und nur den einzelnen Gott preisende Hymne, noch das inhaltslo- se Stammeln der bacchischen Raserey. Sondern sie hat ihren klaren und allgemeinen Inhalt gewonnen; ihren klaren Inhalt, denn der Künstler hat sich aus der ersten ganz substantiellen Begeisterung heraus zur Ge- stalt gearbeitet, die eignes in allen seinen Regungen von der selbstbewussten Seele durchdrungenes und mit- lebendes Daseyn ist; -- ihren allgemeinen Inhalt, denn in diesem Feste, das die Ehre des Menschen ist, ver- schwindet die Einseitigkeit der Bildsäulen, die nur ei- nen Nationalgeist, einen bestimmten Charakter der Göttlichkeit enthalten. Der schöne Fechter ist zwar die Ehre seines besondern Volkes, aber er ist eine kör- perliche Einzelnheit, worin die Ausführlichkeit und Ernst der Bedeutung, und der innere Charakter des Geistes, der das besondere Leben, Anliegen, Bedürfnisse und Sitten seines Volkes trägt, untergegangen ist. In dieser Entäusserung zur völligen Körperlichkeit hat der Geist die besondern Eindrücke und Anklän- ge der Natur abgelegt, die er als der wirkliche Geist des Volks in sich schloss. Sein Volk ist sich da-
U u 2
klare Daſeyn der letztern, und die geiſtloſe Klarheit des letztern in die Innerlichkeit der Erſtern aufge- nommen werden. Das vollkommne Element, worin die Innerlichkeit ebenſo äuſſerlich, als die Aeuſſer- lichkeit innerlich iſt, iſt wieder die Sprache, aber weder die in ihrem Inhalte ganz zufällige und einzel- ne des Orakels, noch die empfindende und nur den einzelnen Gott preiſende Hymne, noch das inhaltslo- se Stammeln der bacchischen Raſerey. Sondern ſie hat ihren klaren und allgemeinen Inhalt gewonnen; ihren klaren Inhalt, denn der Künſtler hat ſich aus der erſten ganz ſubſtantiellen Begeiſterung heraus zur Ge- ſtalt gearbeitet, die eignes in allen ſeinen Regungen von der ſelbſtbewuſsten Seele durchdrungenes und mit- lebendes Daſeyn iſt; — ihren allgemeinen Inhalt, denn in dieſem Feſte, das die Ehre des Menſchen iſt, ver- schwindet die Einſeitigkeit der Bildſäulen, die nur ei- nen Nationalgeiſt, einen beſtimmten Charakter der Göttlichkeit enthalten. Der ſchöne Fechter iſt zwar die Ehre ſeines beſondern Volkes, aber er iſt eine kör- perliche Einzelnheit, worin die Ausführlichkeit und Ernſt der Bedeutung, und der innere Charakter des Geiſtes, der das beſondere Leben, Anliegen, Bedürfniſſe und Sitten ſeines Volkes trägt, untergegangen iſt. In dieſer Entäuſſerung zur völligen Körperlichkeit hat der Geiſt die beſondern Eindrücke und Anklän- ge der Natur abgelegt, die er als der wirkliche Geiſt des Volks in ſich ſchloſs. Sein Volk iſt ſich da-
U u 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0784"n="675"/>
klare Daſeyn der letztern, und die geiſtloſe Klarheit<lb/>
des letztern in die Innerlichkeit der Erſtern aufge-<lb/>
nommen werden. Das vollkommne Element, worin<lb/>
die Innerlichkeit ebenſo äuſſerlich, als die Aeuſſer-<lb/>
lichkeit innerlich iſt, iſt wieder die Sprache, aber<lb/>
weder die in ihrem Inhalte ganz zufällige und einzel-<lb/>
ne des Orakels, noch die empfindende und nur den<lb/>
einzelnen Gott preiſende Hymne, noch das inhaltslo-<lb/>
se Stammeln der bacchischen Raſerey. Sondern ſie<lb/>
hat ihren klaren und allgemeinen Inhalt gewonnen;<lb/>
ihren <hirendition="#i">klaren</hi> Inhalt, denn der Künſtler hat ſich aus der<lb/>
erſten ganz ſubſtantiellen Begeiſterung heraus zur Ge-<lb/>ſtalt gearbeitet, die eignes in allen ſeinen Regungen<lb/>
von der ſelbſtbewuſsten Seele durchdrungenes und mit-<lb/>
lebendes Daſeyn iſt; — ihren <hirendition="#i">allgemeinen</hi> Inhalt, denn in<lb/>
dieſem Feſte, das die Ehre des Menſchen iſt, ver-<lb/>
schwindet die Einſeitigkeit der Bildſäulen, die nur ei-<lb/>
nen Nationalgeiſt, einen beſtimmten Charakter der<lb/>
Göttlichkeit enthalten. Der ſchöne Fechter iſt zwar<lb/>
die Ehre ſeines beſondern Volkes, aber er iſt eine kör-<lb/>
perliche Einzelnheit, worin die Ausführlichkeit und<lb/>
Ernſt der Bedeutung, und der innere Charakter des<lb/>
Geiſtes, der das beſondere Leben, Anliegen, Bedürfniſſe<lb/>
und Sitten ſeines Volkes trägt, untergegangen iſt. In<lb/>
dieſer Entäuſſerung zur völligen Körperlichkeit hat<lb/>
der Geiſt die beſondern Eindrücke und Anklän-<lb/>
ge der Natur abgelegt, die er als der wirkliche<lb/>
Geiſt des Volks in ſich ſchloſs. Sein Volk iſt ſich da-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">U u 2</fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[675/0784]
klare Daſeyn der letztern, und die geiſtloſe Klarheit
des letztern in die Innerlichkeit der Erſtern aufge-
nommen werden. Das vollkommne Element, worin
die Innerlichkeit ebenſo äuſſerlich, als die Aeuſſer-
lichkeit innerlich iſt, iſt wieder die Sprache, aber
weder die in ihrem Inhalte ganz zufällige und einzel-
ne des Orakels, noch die empfindende und nur den
einzelnen Gott preiſende Hymne, noch das inhaltslo-
se Stammeln der bacchischen Raſerey. Sondern ſie
hat ihren klaren und allgemeinen Inhalt gewonnen;
ihren klaren Inhalt, denn der Künſtler hat ſich aus der
erſten ganz ſubſtantiellen Begeiſterung heraus zur Ge-
ſtalt gearbeitet, die eignes in allen ſeinen Regungen
von der ſelbſtbewuſsten Seele durchdrungenes und mit-
lebendes Daſeyn iſt; — ihren allgemeinen Inhalt, denn in
dieſem Feſte, das die Ehre des Menſchen iſt, ver-
schwindet die Einſeitigkeit der Bildſäulen, die nur ei-
nen Nationalgeiſt, einen beſtimmten Charakter der
Göttlichkeit enthalten. Der ſchöne Fechter iſt zwar
die Ehre ſeines beſondern Volkes, aber er iſt eine kör-
perliche Einzelnheit, worin die Ausführlichkeit und
Ernſt der Bedeutung, und der innere Charakter des
Geiſtes, der das beſondere Leben, Anliegen, Bedürfniſſe
und Sitten ſeines Volkes trägt, untergegangen iſt. In
dieſer Entäuſſerung zur völligen Körperlichkeit hat
der Geiſt die beſondern Eindrücke und Anklän-
ge der Natur abgelegt, die er als der wirkliche
Geiſt des Volks in ſich ſchloſs. Sein Volk iſt ſich da-
U u 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 675. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/784>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.