seines unwandelbaren Wesens, zu der jenes sich bringt, bleibt daher ein Jenseits desselben. -- Das unmittel- bare Daseyn der Vernunft, die für uns aus jenem Schmerz hervorging, und ihre eigenthümlichen Ge- stalten haben keine Religion, weil das Selbstbewusst- seyn derselben sich in der unmittelbaren Gegenwart weiss oder sucht.
Hingegen in der sittlichen Welt sahen wir eine Religion, und zwar die Religion der Unterwelt; sie ist der Glauben an die furchtbare unbekannte Nacht des Schicksals, und an die Eumenide des abgeschiednen Geistes; -- jene die reine Negativität in der Form der Allgemeinheit, diese dieselbe in der Form der Ein- zelnheit. Das absolute Wesen ist in der letztern Form also zwar das Selbst, und gegenwärtiges, wie das Selbst nicht anders ist; allein das Einzelne Selbst ist dieser einzelne Schatten, der die Allgemeinheit, welche das Schicksal ist, getrennt von sich hat. Er ist zwar Schatten, aufgehobner Dieser, und somit allgemeines Selbst; aber noch ist jene negative Bedeutung nicht in diese positive umgeschlagen, und daher bedeutet zugleich das aufgehobne Selbst noch unmittelbar die- sen besondern und wesenlosen. -- Das Schicksal aber ohne das Selbst bleibt die bewusstlose Nacht, die nicht zur Unterscheidung in ihr noch zur Klarheit des sich selbst Wissens kommt.
Dieser Glauben an das Nichts der Nothwendig- keit und an die Unterwelt wird zum Glauben an den Himmel, weil das abgeschiedne Selbst mit seiner All-
ſeines unwandelbaren Weſens, zu der jenes sich bringt, bleibt daher ein Jenſeits deſſelben. — Das unmittel- bare Daſeyn der Vernunft, die für uns aus jenem Schmerz hervorging, und ihre eigenthümlichen Ge- ſtalten haben keine Religion, weil das Selbſtbewuſst- seyn derſelben sich in der unmittelbaren Gegenwart weiſs oder ſucht.
Hingegen in der sittlichen Welt ſahen wir eine Religion, und zwar die Religion der Unterwelt; sie iſt der Glauben an die furchtbare unbekannte Nacht des Schickſals, und an die Eumenide des abgeſchiednen Geiſtes; — jene die reine Negativität in der Form der Allgemeinheit, dieſe dieſelbe in der Form der Ein- zelnheit. Das abſolute Weſen ist in der letztern Form alſo zwar das Selbſt, und gegenwärtiges, wie das Selbſt nicht anders ist; allein das Einzelne Selbst ist dieſer einzelne Schatten, der die Allgemeinheit, welche das Schickſal ist, getrennt von sich hat. Er ist zwar Schatten, aufgehobner Dieſer, und ſomit allgemeines Selbſt; aber noch ist jene negative Bedeutung nicht in dieſe poſitive umgeſchlagen, und daher bedeutet zugleich das aufgehobne Selbſt noch unmittelbar die- ſen beſondern und weſenloſen. — Das Schickſal aber ohne das Selbſt bleibt die bewuſstloſe Nacht, die nicht zur Unterſcheidung in ihr noch zur Klarheit des ſich ſelbſt Wiſſens kommt.
Dieſer Glauben an das Nichts der Nothwendig- keit und an die Unterwelt wird zum Glauben an den Himmel, weil das abgeſchiedne Selbſt mit ſeiner All-
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ſeines unwandelbaren Weſens, zu der jenes sich bringt,
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bare Daſeyn der Vernunft, die für uns aus jenem
Schmerz hervorging, und ihre eigenthümlichen Ge-
ſtalten haben keine Religion, weil das Selbſtbewuſst-
seyn derſelben sich in der unmittelbaren Gegenwart
weiſs oder ſucht.
Hingegen in der sittlichen Welt ſahen wir eine
Religion, und zwar die Religion der Unterwelt; sie
iſt der Glauben an die furchtbare unbekannte Nacht
des Schickſals, und an die Eumenide des abgeſchiednen
Geiſtes; — jene die reine Negativität in der Form der
Allgemeinheit, dieſe dieſelbe in der Form der Ein-
zelnheit. Das abſolute Weſen ist in der letztern Form
alſo zwar das Selbſt, und gegenwärtiges, wie das Selbſt
nicht anders ist; allein das Einzelne Selbst ist dieſer
einzelne Schatten, der die Allgemeinheit, welche
das Schickſal ist, getrennt von sich hat. Er ist zwar
Schatten, aufgehobner Dieſer, und ſomit allgemeines
Selbſt; aber noch ist jene negative Bedeutung nicht
in dieſe poſitive umgeſchlagen, und daher bedeutet
zugleich das aufgehobne Selbſt noch unmittelbar die-
ſen beſondern und weſenloſen. — Das Schickſal aber
ohne das Selbſt bleibt die bewuſstloſe Nacht, die nicht
zur Unterſcheidung in ihr noch zur Klarheit des ſich
ſelbſt Wiſſens kommt.
Dieſer Glauben an das Nichts der Nothwendig-
keit und an die Unterwelt wird zum Glauben an den
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 626. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/735>, abgerufen am 22.11.2024.
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