Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

nung des auf seine reine Abstraction gesteigerten Ge-
gensatzes, und die reines Seyn oder das leere Nichts
ist, -- ist also als Bewusstseyn dieses Widerspruches
in seiner unversöhnten Unmittelbarkeit, zur Verrükt-
heit zerrüttet, und zerfliesst in sehnsüchtiger Schwind-
sucht. Es gibt damit in der That das harte Festhalten
seines Fürsichseyns auf, bringt aber nur die geistlose
Einheit des Seyns hervor.

Die wahre, nemlich die selbstbewusste und daseyen-
de
Ausgleichung ist nach ihrer Nothwendigkeit schon
in dem vorhergehenden enthalten. Das Brechen des
harten Herzens und seine Erhebung zur Allgemeinheit
ist dieselbe Bewegung, welche an dem Bewusstseyn
ausgedrükt war, das sich selbst bekannte. Die Wun-
den des Geistes heilen, ohne dass Narben bleiben; die
That ist nicht das unvergängliche, sondern wird von
dem Geiste in sich zurückgenommen, und die Seite
der Einzelnheit, die an ihr, es sey als Absicht oder
als daseyende Negativität und Schranke derselben vor-
handen ist, ist das unmittelbar verschwindende. Das
verwirklichende Selbst, die Form seiner Handlung,
ist nur ein Moment des Ganzen, und ebenso das durch
Urtheil bestimmende und den Unterschied der einzel-
nen und allgemeinen Seite des Handelns festsetzende
Wissen. Jenes Böse setzt diese Entäusserung seiner
oder sich als Moment, hervorgelockt in das bekennen-
de Daseyn durch die Anschauung seiner selbst im An-
dern. Diesem andern aber muss, wie jenem sein ein-
seitiges nicht anerkanntes Daseyn des besondern Für-

nung des auf seine reine Abſtraction geſteigerten Ge-
gensatzes, und die reines Seyn oder das leere Nichts
iſt, — iſt also als Bewuſstseyn dieses Widerspruches
in seiner unversöhnten Unmittelbarkeit, zur Verrükt-
heit zerrüttet, und zerflieſst in sehnsüchtiger Schwind-
sucht. Es gibt damit in der That das harte Feſthalten
seines Fürsichseyns auf, bringt aber nur die geiſtlose
Einheit des Seyns hervor.

Die wahre, nemlich die selbſtbewuſste und daseyen-
de
Ausgleichung ist nach ihrer Nothwendigkeit schon
in dem vorhergehenden enthalten. Das Brechen des
harten Herzens und seine Erhebung zur Allgemeinheit
iſt dieselbe Bewegung, welche an dem Bewuſstseyn
ausgedrükt war, das sich selbſt bekannte. Die Wun-
den des Geiſtes heilen, ohne daſs Narben bleiben; die
That ist nicht das unvergängliche, sondern wird von
dem Geiſte in sich zurückgenommen, und die Seite
der Einzelnheit, die an ihr, es sey als Absicht oder
als daseyende Negativität und Schranke derselben vor-
handen iſt, iſt das unmittelbar verschwindende. Das
verwirklichende Selbſt, die Form seiner Handlung,
iſt nur ein Moment des Ganzen, und ebenso das durch
Urtheil beſtimmende und den Unterschied der einzel-
nen und allgemeinen Seite des Handelns feſtsetzende
Wiſſen. Jenes Böse setzt diese Entäuſſerung seiner
oder sich als Moment, hervorgelockt in das bekennen-
de Daseyn durch die Anschauung seiner selbſt im An-
dern. Diesem andern aber muſs, wie jenem sein ein-
seitiges nicht anerkanntes Daseyn des besondern Für-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0729" n="620"/>
nung des auf seine reine Ab&#x017F;traction ge&#x017F;teigerten Ge-<lb/>
gensatzes, und die reines Seyn oder das leere Nichts<lb/>
i&#x017F;t, &#x2014; i&#x017F;t also als Bewu&#x017F;stseyn dieses Widerspruches<lb/>
in seiner unversöhnten Unmittelbarkeit, zur Verrükt-<lb/>
heit zerrüttet, und zerflie&#x017F;st in sehnsüchtiger Schwind-<lb/>
sucht. Es gibt damit in der That das harte Fe&#x017F;thalten<lb/><hi rendition="#i">seines Fürsichseyns</hi> auf, bringt aber nur die gei&#x017F;tlose<lb/>
Einheit des Seyns hervor.</p><lb/>
              <p>Die wahre, nemlich die <hi rendition="#i">selb&#x017F;tbewu&#x017F;ste</hi> und <hi rendition="#i">daseyen-<lb/>
de</hi> Ausgleichung ist nach ihrer Nothwendigkeit schon<lb/>
in dem vorhergehenden enthalten. Das Brechen des<lb/>
harten Herzens und seine Erhebung zur Allgemeinheit<lb/>
i&#x017F;t dieselbe Bewegung, welche an dem Bewu&#x017F;stseyn<lb/>
ausgedrükt war, das sich selb&#x017F;t bekannte. Die Wun-<lb/>
den des Gei&#x017F;tes heilen, ohne da&#x017F;s Narben bleiben; die<lb/>
That ist nicht das unvergängliche, sondern wird von<lb/>
dem Gei&#x017F;te in sich zurückgenommen, und die Seite<lb/>
der Einzelnheit, die an ihr, es sey als Absicht oder<lb/>
als daseyende Negativität und Schranke derselben vor-<lb/>
handen i&#x017F;t, i&#x017F;t das unmittelbar verschwindende. Das<lb/>
verwirklichende <hi rendition="#i">Selb&#x017F;t</hi>, die Form seiner Handlung,<lb/>
i&#x017F;t nur ein <hi rendition="#i">Moment</hi> des Ganzen, und ebenso das durch<lb/>
Urtheil be&#x017F;timmende und den Unterschied der einzel-<lb/>
nen und allgemeinen Seite des Handelns fe&#x017F;tsetzende<lb/>
Wi&#x017F;&#x017F;en. Jenes Böse setzt diese Entäu&#x017F;&#x017F;erung seiner<lb/>
oder sich als Moment, hervorgelockt in das bekennen-<lb/>
de Daseyn durch die Anschauung seiner selb&#x017F;t im An-<lb/>
dern. Diesem andern aber mu&#x017F;s, wie jenem sein ein-<lb/>
seitiges nicht anerkanntes Daseyn des besondern Für-<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[620/0729] nung des auf seine reine Abſtraction geſteigerten Ge- gensatzes, und die reines Seyn oder das leere Nichts iſt, — iſt also als Bewuſstseyn dieses Widerspruches in seiner unversöhnten Unmittelbarkeit, zur Verrükt- heit zerrüttet, und zerflieſst in sehnsüchtiger Schwind- sucht. Es gibt damit in der That das harte Feſthalten seines Fürsichseyns auf, bringt aber nur die geiſtlose Einheit des Seyns hervor. Die wahre, nemlich die selbſtbewuſste und daseyen- de Ausgleichung ist nach ihrer Nothwendigkeit schon in dem vorhergehenden enthalten. Das Brechen des harten Herzens und seine Erhebung zur Allgemeinheit iſt dieselbe Bewegung, welche an dem Bewuſstseyn ausgedrükt war, das sich selbſt bekannte. Die Wun- den des Geiſtes heilen, ohne daſs Narben bleiben; die That ist nicht das unvergängliche, sondern wird von dem Geiſte in sich zurückgenommen, und die Seite der Einzelnheit, die an ihr, es sey als Absicht oder als daseyende Negativität und Schranke derselben vor- handen iſt, iſt das unmittelbar verschwindende. Das verwirklichende Selbſt, die Form seiner Handlung, iſt nur ein Moment des Ganzen, und ebenso das durch Urtheil beſtimmende und den Unterschied der einzel- nen und allgemeinen Seite des Handelns feſtsetzende Wiſſen. Jenes Böse setzt diese Entäuſſerung seiner oder sich als Moment, hervorgelockt in das bekennen- de Daseyn durch die Anschauung seiner selbſt im An- dern. Diesem andern aber muſs, wie jenem sein ein- seitiges nicht anerkanntes Daseyn des besondern Für-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/729
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 620. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/729>, abgerufen am 26.11.2024.