neuem an, ohne dass der erste sich selbst zum andern fortbewegte und ohne dass auf diese Weise ein nothwendiger Zusammenhang durch die Natur der Sache selbst entstünde. -- Auch läufft um jenes Princips und Elements willen -- und hierin besteht das formelle der mathema- tischen Evidenz -- das Wissen an der Linie der Gleichheit fort. Denn das todte, weil es sich nicht selbst bewegt, kommt nicht zu Unter- schieden des Wesens, nicht zur wesentlichen Entgegensetzung oder Ungleichheit, daher nicht zum Uebergange des Entgegengesetzten in das Entgegengesetzte, nicht zur qualitativen, im- manenten, nicht zur Selbstbewegung. Denn es ist die Grösse, der unwesentliche Unterschied, den die Mathematik allein betrachtet. Dass es der Begriff ist, der den Raum in seine Dimen- sionen entzweyt, und die Verbindungen dersel- ben und in denselben bestimmt, davon abstra- hirt sie; sie betrachtet z. B. nicht das Verhält- niss der Linie zur Fläche; und wo sie den Durchmesser des Kreises mit der Peripherie vergleicht, stösst sie auf die Incommensurabili- tät derselben, d. h. ein Verhältniss des Begriffs, ein Unendliches, das ihrer Bestimmung entflieht.
Die immanente, sogenannte reine Mathe- matik stellt auch nicht die Zeit als Zeit dem
neuem an, ohne daſs der erſte ſich ſelbſt zum andern fortbewegte und ohne daſs auf dieſe Weiſe ein nothwendiger Zuſammenhang durch die Natur der Sache ſelbſt entſtünde. — Auch läufft um jenes Princips und Elements willen — und hierin beſteht das formelle der mathema- tiſchen Evidenz — das Wiſſen an der Linie der Gleichheit fort. Denn das todte, weil es ſich nicht ſelbſt bewegt, kommt nicht zu Unter- ſchieden des Weſens, nicht zur weſentlichen Entgegenſetzung oder Ungleichheit, daher nicht zum Uebergange des Entgegengeſetzten in das Entgegengeſetzte, nicht zur qualitativen, im- manenten, nicht zur Selbſtbewegung. Denn es iſt die Gröſſe, der unweſentliche Unterſchied, den die Mathematik allein betrachtet. Daſs es der Begriff iſt, der den Raum in ſeine Dimen- ſionen entzweyt, und die Verbindungen derſel- ben und in denſelben beſtimmt, davon abſtra- hirt ſie; ſie betrachtet z. B. nicht das Verhält- niſs der Linie zur Fläche; und wo ſie den Durchmeſſer des Kreiſes mit der Peripherie vergleicht, ſtöſst ſie auf die Incommenſurabili- tät derſelben, d. h. ein Verhältniſs des Begriffs, ein Unendliches, das ihrer Beſtimmung entflieht.
Die immanente, ſogenannte reine Mathe- matik ſtellt auch nicht die Zeit als Zeit dem
<TEI><text><front><divn="1"><p><pbfacs="#f0068"n="LIII"/>
neuem an, ohne daſs der erſte ſich ſelbſt zum<lb/>
andern fortbewegte und ohne daſs auf dieſe<lb/>
Weiſe ein nothwendiger Zuſammenhang durch<lb/>
die Natur der Sache ſelbſt entſtünde. — Auch<lb/>
läufft um jenes Princips und Elements willen —<lb/>
und hierin beſteht das formelle der mathema-<lb/>
tiſchen Evidenz — das Wiſſen an der Linie<lb/>
der <hirendition="#i">Gleichheit</hi> fort. Denn das todte, weil es<lb/>ſich nicht ſelbſt bewegt, kommt nicht zu Unter-<lb/>ſchieden des Weſens, nicht zur weſentlichen<lb/>
Entgegenſetzung oder Ungleichheit, daher nicht<lb/>
zum Uebergange des Entgegengeſetzten in das<lb/>
Entgegengeſetzte, nicht zur qualitativen, im-<lb/>
manenten, nicht zur Selbſtbewegung. Denn es<lb/>
iſt die Gröſſe, der unweſentliche Unterſchied,<lb/>
den die Mathematik allein betrachtet. Daſs es<lb/>
der Begriff iſt, der den Raum in ſeine Dimen-<lb/>ſionen entzweyt, und die Verbindungen derſel-<lb/>
ben und in denſelben beſtimmt, davon abſtra-<lb/>
hirt ſie; ſie betrachtet z. B. nicht das Verhält-<lb/>
niſs der Linie zur Fläche; und wo ſie den<lb/>
Durchmeſſer des Kreiſes mit der Peripherie<lb/>
vergleicht, ſtöſst ſie auf die Incommenſurabili-<lb/>
tät derſelben, d. h. ein Verhältniſs des Begriffs,<lb/>
ein Unendliches, das ihrer Beſtimmung entflieht.</p><lb/><p>Die immanente, ſogenannte reine Mathe-<lb/>
matik ſtellt auch nicht die <hirendition="#i">Zeit</hi> als Zeit dem<lb/></p></div></front></text></TEI>
[LIII/0068]
neuem an, ohne daſs der erſte ſich ſelbſt zum
andern fortbewegte und ohne daſs auf dieſe
Weiſe ein nothwendiger Zuſammenhang durch
die Natur der Sache ſelbſt entſtünde. — Auch
läufft um jenes Princips und Elements willen —
und hierin beſteht das formelle der mathema-
tiſchen Evidenz — das Wiſſen an der Linie
der Gleichheit fort. Denn das todte, weil es
ſich nicht ſelbſt bewegt, kommt nicht zu Unter-
ſchieden des Weſens, nicht zur weſentlichen
Entgegenſetzung oder Ungleichheit, daher nicht
zum Uebergange des Entgegengeſetzten in das
Entgegengeſetzte, nicht zur qualitativen, im-
manenten, nicht zur Selbſtbewegung. Denn es
iſt die Gröſſe, der unweſentliche Unterſchied,
den die Mathematik allein betrachtet. Daſs es
der Begriff iſt, der den Raum in ſeine Dimen-
ſionen entzweyt, und die Verbindungen derſel-
ben und in denſelben beſtimmt, davon abſtra-
hirt ſie; ſie betrachtet z. B. nicht das Verhält-
niſs der Linie zur Fläche; und wo ſie den
Durchmeſſer des Kreiſes mit der Peripherie
vergleicht, ſtöſst ſie auf die Incommenſurabili-
tät derſelben, d. h. ein Verhältniſs des Begriffs,
ein Unendliches, das ihrer Beſtimmung entflieht.
Die immanente, ſogenannte reine Mathe-
matik ſtellt auch nicht die Zeit als Zeit dem
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. LIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/68>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.