Indem gehandelt wird, ist es also mit der Unan- gemessenheit des Zwecks und der Wirklichkeit über- haupt nicht Ernst; dagegen scheint es mit dem Han- peln selbst Ernst zu seyn. Aber in der That ist die wirkliche Handlung, nur Handlung des einzelnen Bewusstseyns, also selbst nur etwas einzelnes und das Werk zufällig. Der Zweck der Vernunfft aber als der allgemeine, alles umfassende, Zweck ist nichts geringeres als die ganze Welt; ein Endzweck, der weit über den Inhalt dieser einzelnen Handlung hinausgeht, und daher überhaupt über alles wirk- liche handeln hinauszustellen ist. Weil das allgemei- ne Beste ausgeführt werden soll, wird nichts Gutes gethan. In der That aber ist die Nichtigkeit des wirklichen Handelns, und die Realität nur des ganzen Zwecks, die itzt aufgestellt sind, nach allen Seiten auch wieder verstellt. Die moralische Handlung ist nicht etwas zufälliges, und beschränktes, denn sie hat die reine Pflicht zu ihrem Wesen; diese macht den einzigen ganzen Zweck aus; und die Handlung also als Verwirklichung desselben ist bey aller sonsti- gen Beschränkung des Inhalts die Vollbringung des ganzen absoluten Zwecks. Oder wenn wieder die Wirklichkeit als Natur, die ihre eignen Gesetze hat and der reinen Pflicht entgegengesetzt ist, genom- men wird, so dass also die Pflicht ihr Gesetz nicht in ihr realisiren kann, so ist es, indem die Pflicht als solche das Wesen ist, in der That nicht um die Vollbringung der reinen Pflicht, welche der ganze
Indem gehandelt wird, iſt es alſo mit der Unan- gemeſſenheit des Zwecks und der Wirklichkeit über- haupt nicht Ernſt; dagegen ſcheint es mit dem Han- peln ſelbſt Ernſt zu seyn. Aber in der That iſt die wirkliche Handlung, nur Handlung des einzelnen Bewuſstseyns, alſo selbſt nur etwas einzelnes und das Werk zufällig. Der Zweck der Vernunfft aber als der allgemeine, alles umfaſſende, Zweck iſt nichts geringeres als die ganze Welt; ein Endzweck, der weit über den Inhalt dieser einzelnen Handlung hinausgeht, und daher überhaupt über alles wirk- liche handeln hinauszuſtellen ist. Weil das allgemei- ne Beſte ausgeführt werden ſoll, wird nichts Gutes gethan. In der That aber iſt die Nichtigkeit des wirklichen Handelns, und die Realität nur des ganzen Zwecks, die itzt aufgeſtellt sind, nach allen Seiten auch wieder verſtellt. Die moralische Handlung iſt nicht etwas zufälliges, und beſchränktes, denn sie hat die reine Pflicht zu ihrem Wesen; diese macht den einzigen ganzen Zweck aus; und die Handlung also als Verwirklichung deſſelben iſt bey aller ſonſti- gen Beschränkung des Inhalts die Vollbringung des ganzen absoluten Zwecks. Oder wenn wieder die Wirklichkeit als Natur, die ihre eignen Geſetze hat and der reinen Pflicht entgegengeſetzt ist, genom- men wird, ſo daſs also die Pflicht ihr Geſetz nicht in ihr realisiren kann, ſo ist es, indem die Pflicht als solche das Weſen iſt, in der That nicht um die Vollbringung der reinen Pflicht, welche der ganze
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><pbfacs="#f0677"n="568"/><p>Indem <hirendition="#i">gehandelt</hi> wird, iſt es alſo mit der <hirendition="#i">Unan-<lb/>
gemeſſenheit</hi> des Zwecks und der Wirklichkeit über-<lb/>
haupt nicht Ernſt; dagegen ſcheint es mit dem <hirendition="#i">Han-<lb/>
peln</hi>ſelbſt Ernſt zu seyn. Aber in der That iſt die<lb/>
wirkliche Handlung, nur Handlung des <hirendition="#i">einzelnen</hi><lb/>
Bewuſstseyns, alſo selbſt nur etwas einzelnes und das<lb/>
Werk zufällig. Der Zweck der Vernunfft aber als<lb/>
der allgemeine, alles umfaſſende, Zweck iſt nichts<lb/>
geringeres als die ganze Welt; ein Endzweck,<lb/>
der weit über den Inhalt dieser einzelnen Handlung<lb/>
hinausgeht, und daher überhaupt über alles wirk-<lb/>
liche handeln hinauszuſtellen ist. Weil das allgemei-<lb/>
ne Beſte ausgeführt werden ſoll, wird nichts Gutes<lb/>
gethan. In der That aber iſt die <hirendition="#i">Nichtigkeit</hi> des<lb/>
wirklichen Handelns, und die <hirendition="#i">Realität</hi> nur des <hirendition="#i">ganzen</hi><lb/>
Zwecks, die itzt aufgeſtellt sind, nach allen Seiten<lb/>
auch wieder verſtellt. Die moralische Handlung iſt<lb/>
nicht etwas zufälliges, und beſchränktes, denn sie<lb/>
hat die reine <hirendition="#i">Pflicht</hi> zu ihrem Wesen; diese macht<lb/>
den <hirendition="#i">einzigen ganzen</hi> Zweck aus; und die Handlung<lb/>
also als Verwirklichung deſſelben iſt bey aller ſonſti-<lb/>
gen Beschränkung des Inhalts die Vollbringung des<lb/>
ganzen absoluten Zwecks. Oder wenn wieder die<lb/>
Wirklichkeit als Natur, die ihre <hirendition="#i">eignen</hi> Geſetze hat<lb/>
and der reinen Pflicht entgegengeſetzt ist, genom-<lb/>
men wird, ſo daſs also die Pflicht ihr Geſetz nicht<lb/>
in ihr realisiren kann, ſo ist es, indem die Pflicht<lb/>
als solche das Weſen iſt, in der That <hirendition="#i">nicht um die<lb/>
Vollbringung</hi> der reinen Pflicht, welche der ganze<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[568/0677]
Indem gehandelt wird, iſt es alſo mit der Unan-
gemeſſenheit des Zwecks und der Wirklichkeit über-
haupt nicht Ernſt; dagegen ſcheint es mit dem Han-
peln ſelbſt Ernſt zu seyn. Aber in der That iſt die
wirkliche Handlung, nur Handlung des einzelnen
Bewuſstseyns, alſo selbſt nur etwas einzelnes und das
Werk zufällig. Der Zweck der Vernunfft aber als
der allgemeine, alles umfaſſende, Zweck iſt nichts
geringeres als die ganze Welt; ein Endzweck,
der weit über den Inhalt dieser einzelnen Handlung
hinausgeht, und daher überhaupt über alles wirk-
liche handeln hinauszuſtellen ist. Weil das allgemei-
ne Beſte ausgeführt werden ſoll, wird nichts Gutes
gethan. In der That aber iſt die Nichtigkeit des
wirklichen Handelns, und die Realität nur des ganzen
Zwecks, die itzt aufgeſtellt sind, nach allen Seiten
auch wieder verſtellt. Die moralische Handlung iſt
nicht etwas zufälliges, und beſchränktes, denn sie
hat die reine Pflicht zu ihrem Wesen; diese macht
den einzigen ganzen Zweck aus; und die Handlung
also als Verwirklichung deſſelben iſt bey aller ſonſti-
gen Beschränkung des Inhalts die Vollbringung des
ganzen absoluten Zwecks. Oder wenn wieder die
Wirklichkeit als Natur, die ihre eignen Geſetze hat
and der reinen Pflicht entgegengeſetzt ist, genom-
men wird, ſo daſs also die Pflicht ihr Geſetz nicht
in ihr realisiren kann, ſo ist es, indem die Pflicht
als solche das Weſen iſt, in der That nicht um die
Vollbringung der reinen Pflicht, welche der ganze
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 568. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/677>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.