Freyheit erfährt, verloren; seine Negation ist der bedeutungslose Tod, der reine Schrecken des Negati- ven, das nichts positives, nichts erfüllendes in ihm hat. -- Zugleich aber ist diese Negation in ihrer Wirk- lichkeit nicht ein Fremdes, sie ist weder die allgemeine jenseits liegende Nothwendigkeit, worin die sittliche Welt untergeht, noch der einzelne Zufall des eignen Besi- tzes oder der Laune des Besitzenden, von dem das zer- rissne Bewusstseyn sich abhängig sieht, -- sondern sie ist der allgemeine Willen, der in dieser seiner letzten Abstraction nichts positives hat, und daher nichts für die Aufopferung zurückgeben kann, -- aber eben- darum ist er unvermittelt eins mit dem Selbstbewusst- seyn, oder er ist das rein positive, weil er das rein ne- gative ist; und der bedeutungslose Tod, die unerfüll- te Negativität des Selbsts schlägt im innern Begriffe zur absoluten Positivität um. Für das Bewusstseyn ver- wandelt sich die unmittelbare Einheit seiner mit dem allgemeinen Willen, seine Foderung sich als diesen bestimmten Punkt im allgemeinen Willen zu wissen, in die schlechthin entgegengesetzte Erfahrung um. Was ihm darin verschwindet, ist das abstracte Seyn oder die Unmittelbarkeit des substanzlosen Punkts, und diese verschwundne Unmittelbarkeit ist der allge- meine Willen selbst, als welchen es sich nun weiss, insofern es aufgehobne Unmittelbarkeit, insofern es rei- nes Wissen oder reiner Willen ist. Hiedurch weiss es ihn als sich selbst und sich als Wesen, aber nicht
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Freyheit erfährt, verloren; ſeine Negation iſt der bedeutungslose Tod, der reine Schrecken des Negati- ven, das nichts poſitives, nichts erfüllendes in ihm hat. — Zugleich aber iſt dieſe Negation in ihrer Wirk- lichkeit nicht ein Fremdes, ſie iſt weder die allgemeine jenſeits liegende Nothwendigkeit, worin die ſittliche Welt untergeht, noch der einzelne Zufall des eignen Beſi- tzes oder der Laune des Beſitzenden, von dem das zer- riſſne Bewuſstſeyn ſich abhängig ſieht, — ſondern ſie iſt der allgemeine Willen, der in dieser seiner letzten Abſtraction nichts poſitives hat, und daher nichts für die Aufopferung zurückgeben kann, — aber eben- darum iſt er unvermittelt eins mit dem Selbstbewuſst- seyn, oder er iſt das rein poſitive, weil er das rein ne- gative iſt; und der bedeutungslose Tod, die unerfüll- te Negativität des Selbſts schlägt im innern Begriffe zur absoluten Poſitivität um. Für das Bewuſstſeyn ver- wandelt ſich die unmittelbare Einheit seiner mit dem allgemeinen Willen, seine Foderung ſich als diesen beſtimmten Punkt im allgemeinen Willen zu wiſſen, in die schlechthin entgegengesetzte Erfahrung um. Was ihm darin verschwindet, ist das abstracte Seyn oder die Unmittelbarkeit des subſtanzlosen Punkts, und diese verschwundne Unmittelbarkeit ist der allge- meine Willen selbst, als welchen es sich nun weiſs, insofern es aufgehobne Unmittelbarkeit, insofern es rei- nes Wissen oder reiner Willen iſt. Hiedurch weiſs es ihn als sich selbst und sich als Wesen, aber nicht
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Freyheit erfährt, verloren; ſeine Negation iſt der
bedeutungslose Tod, der reine Schrecken des Negati-
ven, das nichts poſitives, nichts erfüllendes in ihm
hat. — Zugleich aber iſt dieſe Negation in ihrer Wirk-
lichkeit nicht ein Fremdes, ſie iſt weder die allgemeine
jenſeits liegende Nothwendigkeit, worin die ſittliche Welt
untergeht, noch der einzelne Zufall des eignen Beſi-
tzes oder der Laune des Beſitzenden, von dem das zer-
riſſne Bewuſstſeyn ſich abhängig ſieht, — ſondern ſie
iſt der allgemeine Willen, der in dieser seiner letzten
Abſtraction nichts poſitives hat, und daher nichts für
die Aufopferung zurückgeben kann, — aber eben-
darum iſt er unvermittelt eins mit dem Selbstbewuſst-
seyn, oder er iſt das rein poſitive, weil er das rein ne-
gative iſt; und der bedeutungslose Tod, die unerfüll-
te Negativität des Selbſts schlägt im innern Begriffe
zur absoluten Poſitivität um. Für das Bewuſstſeyn ver-
wandelt ſich die unmittelbare Einheit seiner mit dem
allgemeinen Willen, seine Foderung ſich als diesen
beſtimmten Punkt im allgemeinen Willen zu wiſſen,
in die schlechthin entgegengesetzte Erfahrung um.
Was ihm darin verschwindet, ist das abstracte Seyn
oder die Unmittelbarkeit des subſtanzlosen Punkts,
und diese verschwundne Unmittelbarkeit ist der allge-
meine Willen selbst, als welchen es sich nun weiſs,
insofern es aufgehobne Unmittelbarkeit, insofern es rei-
nes Wissen oder reiner Willen iſt. Hiedurch weiſs
es ihn als sich selbst und sich als Wesen, aber nicht
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 545. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/654>, abgerufen am 22.11.2024.
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