dabey nicht durch die Vorstellung des Gehorsams un- ter selbstgegebenen Gesetzen, die ihm einen Theil zu- wiesen, noch durch seine Representation beym Gesetz- geben und allgemeinen Thun um die Wirklichkeit be- triegen, -- nicht um die Wirklichkeit, selbst das Gesetz zu geben, und nicht ein einzelnes Werk, sondern das allgemeine selbst zu vollbringen; denn wobey dae Selbst nur representirt und vorgestellt ist, da ist es nicht wirklich; wo es vertreten ist, ist es nicht.
Wie in diesem allgemeinen Werke der absoluten Freyheit als daseyender Substanz sich das einzelne Selbstbewusstseyn nicht findet, eben so wenig in ei- gentlichen Thaten und individuellen Handlungen ihres Willens. Dass das Allgemeine zu einer That kom- me, muss es sich in das Eins der Individualität zu- sammennehmen, und ein einzelnes Selbstbewusstseyn an die Spitze stellen; denn der allgemeine Willen ist nur in einem Selbst, das Eines ist, wirklicher Wil- len. Dadurch aber sind alle andern Einzelnen von dem Ganzen dieser That ausgeschlossen, und haben nur ei- nen beschränkten Antheil an ihr, so dass die That nicht That des wirklichen allgemeinen Selbstbewusstseyns seyn würde. -- Kein positives Werk noch That kann also die allgemeine Freyheit hervorbringen; es bleibt ihr nur das negative Thun; sie ist nur die Furie des Ver- schwindens.
Aber die höchste und der allgemeinen Freyheit entgegengesetzteste Wirklichkeit oder vielmehr der einzige Gegenstand, der für sie noch wird, ist die
dabey nicht durch die Vorſtellung des Gehorſams un- ter ſelbſtgegebenen Geſetzen, die ihm einen Theil zu- wieſen, noch durch ſeine Repreſentation beym Geſetz- geben und allgemeinen Thun um die Wirklichkeit be- triegen, — nicht um die Wirklichkeit, ſelbſt das Geſetz zu geben, und nicht ein einzelnes Werk, ſondern das allgemeine ſelbſt zu vollbringen; denn wobey dae Selbſt nur repreſentirt und vorgeſtellt iſt, da iſt es nicht wirklich; wo es vertreten iſt, iſt es nicht.
Wie in dieſem allgemeinen Werke der abſoluten Freyheit als daſeyender Subſtanz ſich das einzelne Selbſtbewuſstſeyn nicht findet, eben ſo wenig in ei- gentlichen Thaten und individuellen Handlungen ihres Willens. Daſs das Allgemeine zu einer That kom- me, muſs es ſich in das Eins der Individualität zu- ſammennehmen, und ein einzelnes Selbſtbewuſstſeyn an die Spitze ſtellen; denn der allgemeine Willen iſt nur in einem Selbſt, das Eines iſt, wirklicher Wil- len. Dadurch aber ſind alle andern Einzelnen von dem Ganzen dieſer That ausgeſchloſſen, und haben nur ei- nen beſchränkten Antheil an ihr, ſo daſs die That nicht That des wirklichen allgemeinen Selbſtbewuſstſeyns seyn würde. — Kein poſitives Werk noch That kann alſo die allgemeine Freyheit hervorbringen; es bleibt ihr nur das negative Thun; ſie iſt nur die Furie des Ver- ſchwindens.
Aber die höchſte und der allgemeinen Freyheit entgegengeſetzteſte Wirklichkeit oder vielmehr der einzige Gegenſtand, der für ſie noch wird, iſt die
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dabey nicht durch die Vorſtellung des Gehorſams un-
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triegen, — nicht um die Wirklichkeit, ſelbſt das
Geſetz zu geben, und nicht ein einzelnes Werk,
ſondern das allgemeine ſelbſt zu vollbringen; denn
wobey dae Selbſt nur repreſentirt und vorgeſtellt iſt,
da iſt es nicht wirklich; wo es vertreten iſt, iſt es nicht.
Wie in dieſem allgemeinen Werke der abſoluten
Freyheit als daſeyender Subſtanz ſich das einzelne
Selbſtbewuſstſeyn nicht findet, eben ſo wenig in ei-
gentlichen Thaten und individuellen Handlungen ihres
Willens. Daſs das Allgemeine zu einer That kom-
me, muſs es ſich in das Eins der Individualität zu-
ſammennehmen, und ein einzelnes Selbſtbewuſstſeyn
an die Spitze ſtellen; denn der allgemeine Willen
iſt nur in einem Selbſt, das Eines iſt, wirklicher Wil-
len. Dadurch aber ſind alle andern Einzelnen von dem
Ganzen dieſer That ausgeſchloſſen, und haben nur ei-
nen beſchränkten Antheil an ihr, ſo daſs die That
nicht That des wirklichen allgemeinen Selbſtbewuſstſeyns
seyn würde. — Kein poſitives Werk noch That kann alſo
die allgemeine Freyheit hervorbringen; es bleibt ihr
nur das negative Thun; ſie iſt nur die Furie des Ver-
ſchwindens.
Aber die höchſte und der allgemeinen Freyheit
entgegengeſetzteſte Wirklichkeit oder vielmehr der
einzige Gegenſtand, der für ſie noch wird, iſt die
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 539. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/648>, abgerufen am 22.11.2024.
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