lichten Dreyecke sich erwürbe, dass ihre Seiten das bekannte Verhältniss zu einander haben, für unbefriedigend gehalten werden. Die We- sentlichkeit des Beweises hat jedoch auch beym mathematischen Erkennen noch nicht die Be- deutung und Natur, Moment des Resultates selbst zu seyn, sondern in diesem ist er vielmehr vor- bey und verschwunden. Als Resultat ist zwar das Theorem ein als wahr eingesehenes. Aber dieser hinzugekommene Umstand betrifft nicht seinen Inhalt, sondern nur das Verhältniss zum Subject; die Bewegung des mathematischen Be- weises gehört nicht dem an, was Gegenstand ist, sondern ist ein der Sache äusserliches Thun. So zerlegt sich die Natur des rechtwinklichten Dreyecks nicht selbst so, wie es in der Con- struction dargestellt wird, die für den Beweis des Satzes, der sein Verhältniss ausdrückt, nö- thig ist; das ganze Hervorbringen des Resultats ist ein Gang und Mittel des Erkennens. -- Auch im philosophischen Erkennen ist das Werden des Daseyns als Daseyns verschieden von dem Wer- den des Wesens oder der innern Natur der Sache. Aber das philosophische Erkennen ent- hält erstens beydes, da hingegen das mathema- tische nur das Werden des Daseyns, d. h. des Seyns der Natur der Sache im Erkennen als sol-
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lichten Dreyecke ſich erwürbe, daſs ihre Seiten das bekannte Verhältniſs zu einander haben, für unbefriedigend gehalten werden. Die We- ſentlichkeit des Beweiſes hat jedoch auch beym mathematiſchen Erkennen noch nicht die Be- deutung und Natur, Moment des Reſultates ſelbſt zu ſeyn, ſondern in dieſem iſt er vielmehr vor- bey und verſchwunden. Als Reſultat iſt zwar das Theorem ein als wahr eingeſehenes. Aber dieſer hinzugekommene Umſtand betrifft nicht ſeinen Inhalt, ſondern nur das Verhältniſs zum Subject; die Bewegung des mathematiſchen Be- weiſes gehört nicht dem an, was Gegenſtand iſt, ſondern iſt ein der Sache äuſſerliches Thun. So zerlegt ſich die Natur des rechtwinklichten Dreyecks nicht ſelbſt ſo, wie es in der Con- ſtruction dargeſtellt wird, die für den Beweis des Satzes, der ſein Verhältniſs ausdrückt, nö- thig iſt; das ganze Hervorbringen des Reſultats iſt ein Gang und Mittel des Erkennens. — Auch im philoſophiſchen Erkennen iſt das Werden des Daſeyns als Daſeyns verſchieden von dem Wer- den des Weſens oder der innern Natur der Sache. Aber das philoſophiſche Erkennen ent- hält erſtens beydes, da hingegen das mathema- tiſche nur das Werden des Daſeyns, d. h. des Seyns der Natur der Sache im Erkennen als ſol-
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[XLIX/0064]
lichten Dreyecke ſich erwürbe, daſs ihre Seiten
das bekannte Verhältniſs zu einander haben,
für unbefriedigend gehalten werden. Die We-
ſentlichkeit des Beweiſes hat jedoch auch beym
mathematiſchen Erkennen noch nicht die Be-
deutung und Natur, Moment des Reſultates ſelbſt
zu ſeyn, ſondern in dieſem iſt er vielmehr vor-
bey und verſchwunden. Als Reſultat iſt zwar
das Theorem ein als wahr eingeſehenes. Aber
dieſer hinzugekommene Umſtand betrifft nicht
ſeinen Inhalt, ſondern nur das Verhältniſs zum
Subject; die Bewegung des mathematiſchen Be-
weiſes gehört nicht dem an, was Gegenſtand
iſt, ſondern iſt ein der Sache äuſſerliches Thun.
So zerlegt ſich die Natur des rechtwinklichten
Dreyecks nicht ſelbſt ſo, wie es in der Con-
ſtruction dargeſtellt wird, die für den Beweis
des Satzes, der ſein Verhältniſs ausdrückt, nö-
thig iſt; das ganze Hervorbringen des Reſultats
iſt ein Gang und Mittel des Erkennens. — Auch
im philoſophiſchen Erkennen iſt das Werden des
Daſeyns als Daſeyns verſchieden von dem Wer-
den des Weſens oder der innern Natur der
Sache. Aber das philoſophiſche Erkennen ent-
hält erſtens beydes, da hingegen das mathema-
tiſche nur das Werden des Daſeyns, d. h. des
Seyns der Natur der Sache im Erkennen als ſol-
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. XLIX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/64>, abgerufen am 24.11.2024.
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