des Begriffs ist, die nicht nur für sich ist, sondern auch über ihr Gegentheil übergreifft; und der Glau- ben selbst, weil er Bewusstseyn ist, wird ihr ihr Recht nicht verweigern können.
Denn die Aufklärung verhält sich gegen das glau- bende Bewusstseyn nicht mit eigenthümlichen Prin- cipien, sondern mit solchen, welche dieses selbst an ihm hat. Sie bringt ihm nur seine eigenen Gedanken zusammen, die ihm bewusstlos auseinanderfallen; sie erinnert es nur bey der einen seiner Weisen an die andern, die es auch hat, aber deren eine es immer bey der andern vergisst. Sie erweisst sich eben dadurch gegen es als reine Einsicht, dass sie bey einem be- stimmten Momente das Ganze sieht, also das auf jenes Moment sich beziehende Entgegengesetzte herbeybringt, und eines im andern verkehrend das negative Wesen beyder Gedanken, den Begriff, hervortreibt. Sie er- scheint dem Glauben darum als Verdrehung und Lü- ge, weil sie das Andersseyn seiner Momente aufzeigt; sie scheint ihm damit unmittelbar etwas anderes aus ihnen zu machen, als sie in ihrer Einzelnheit sind; aber diss Andere ist ebenso wesentlich, und es ist in Wahrheit in dem glaubenden Bewusstseyn selbst vor- handen, nur dass dieses daran nicht denkt, sondern es sonst wo hat; daher ist es ihm weder fremde noch kann es von ihm abgeleugnet werden.
Die Aufklärung selbst aber, welche den Glauben an das entgegengesetzte seiner abgesonderten Momente
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des Begriffs iſt, die nicht nur für ſich iſt, ſondern auch über ihr Gegentheil übergreifft; und der Glau- ben ſelbſt, weil er Bewuſstſeyn iſt, wird ihr ihr Recht nicht verweigern können.
Denn die Aufklärung verhält ſich gegen das glau- bende Bewuſstſeyn nicht mit eigenthümlichen Prin- cipien, ſondern mit ſolchen, welche dieſes ſelbſt an ihm hat. Sie bringt ihm nur ſeine eigenen Gedanken zuſammen, die ihm bewuſstlos auseinanderfallen; ſie erinnert es nur bey der einen ſeiner Weiſen an die andern, die es auch hat, aber deren eine es immer bey der andern vergiſst. Sie erweiſst ſich eben dadurch gegen es als reine Einſicht, daſs ſie bey einem be- ſtimmten Momente das Ganze ſieht, alſo das auf jenes Moment ſich beziehende Entgegengeſetzte herbeybringt, und eines im andern verkehrend das negative Weſen beyder Gedanken, den Begriff, hervortreibt. Sie er- ſcheint dem Glauben darum als Verdrehung und Lü- ge, weil ſie das Andersſeyn ſeiner Momente aufzeigt; ſie ſcheint ihm damit unmittelbar etwas anderes aus ihnen zu machen, als ſie in ihrer Einzelnheit ſind; aber diſs Andere iſt ebenſo weſentlich, und es iſt in Wahrheit in dem glaubenden Bewuſstſeyn ſelbſt vor- handen, nur daſs dieſes daran nicht denkt, ſondern es ſonſt wo hat; daher iſt es ihm weder fremde noch kann es von ihm abgeleugnet werden.
Die Aufklärung ſelbſt aber, welche den Glauben an das entgegengeſetzte ſeiner abgeſonderten Momente
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des Begriffs iſt, die nicht nur für ſich iſt, ſondern
auch über ihr Gegentheil übergreifft; und der Glau-
ben ſelbſt, weil er Bewuſstſeyn iſt, wird ihr ihr Recht
nicht verweigern können.
Denn die Aufklärung verhält ſich gegen das glau-
bende Bewuſstſeyn nicht mit eigenthümlichen Prin-
cipien, ſondern mit ſolchen, welche dieſes ſelbſt an
ihm hat. Sie bringt ihm nur ſeine eigenen Gedanken
zuſammen, die ihm bewuſstlos auseinanderfallen; ſie
erinnert es nur bey der einen ſeiner Weiſen an die
andern, die es auch hat, aber deren eine es immer bey
der andern vergiſst. Sie erweiſst ſich eben dadurch
gegen es als reine Einſicht, daſs ſie bey einem be-
ſtimmten Momente das Ganze ſieht, alſo das auf jenes
Moment ſich beziehende Entgegengeſetzte herbeybringt,
und eines im andern verkehrend das negative Weſen
beyder Gedanken, den Begriff, hervortreibt. Sie er-
ſcheint dem Glauben darum als Verdrehung und Lü-
ge, weil ſie das Andersſeyn ſeiner Momente aufzeigt;
ſie ſcheint ihm damit unmittelbar etwas anderes aus
ihnen zu machen, als ſie in ihrer Einzelnheit ſind;
aber diſs Andere iſt ebenſo weſentlich, und es iſt in
Wahrheit in dem glaubenden Bewuſstſeyn ſelbſt vor-
handen, nur daſs dieſes daran nicht denkt, ſondern es
ſonſt wo hat; daher iſt es ihm weder fremde noch
kann es von ihm abgeleugnet werden.
Die Aufklärung ſelbſt aber, welche den Glauben
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 513. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/622>, abgerufen am 22.11.2024.
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