desselben aber, ihre Verunreinigung durch die Auf- nahme des negativen Verhaltens in ihre sichselbst- gleiche Reinheit ist es, wie sie für den Glauben Ge- genstand ist; der sie also als Lüge, Unvernunft und schlechte Absicht erfährt, so wie er für sie Irrthum und Vorurtheil ist. -- In Rücksicht auf ihren In- halt ist sie zunächst die leere Einsicht, der ihr In- halt als ein Anderes erscheint, sie findet ihn daher in dieser Gestalt, dass er noch nicht der ihrige ist, vor, als ein von ihr ganz unabhängiges Daseyn, in dem Glauben.
Die Aufklärung fasst also ihren Gegenstand zu- erst und allgemein so auf, dass sie ihn als reine Ein- sicht nimmt und ihn so, sich selbst nicht erkennend, für Irrthum erklärt. In der Einsicht als solcher fasst das Bewusstseyn einen Gegenstand so, dass er ihm zum Wesen des Bewusstseyns oder zu einem Gegen- stande wird, den es durchdringt, worin es sich er- hält, bey sich selbst und sich gegenwärtig bleibt, und indem es hiemit seine Bewegung ist, ihn her- vorbringt. Als eben dieses spricht die Aufklärung den Glauben richtig aus, indem sie von ihm sagt, dass das, was ihm das absolute Wesen ist, ein Seyn seines eignen Bewusstseyns, sein eigner Gedanke, ein vom Bewusstseyn hervorgebrachtes sey. Sie er- klärt ihn hiemit für Irrthum und Erdichtung über dasselbe, was sie ist. -- Sie, die den Glauben die neue Weisheit lehren will, sagt ihm damit nichts neues; denn sein Gegenstand ist ihm auch gerade
deſſelben aber, ihre Verunreinigung durch die Auf- nahme des negativen Verhaltens in ihre sichſelbſt- gleiche Reinheit ist es, wie sie für den Glauben Ge- genſtand ist; der sie alſo als Lüge, Unvernunft und schlechte Absicht erfährt, so wie er für sie Irrthum und Vorurtheil iſt. — In Rücksicht auf ihren In- halt ist sie zunächst die leere Einsicht, der ihr In- halt als ein Anderes erſcheint, sie findet ihn daher in dieser Geſtalt, daſs er noch nicht der ihrige ist, vor, als ein von ihr ganz unabhängiges Daseyn, in dem Glauben.
Die Aufklärung faſst alſo ihren Gegenſtand zu- erſt und allgemein so auf, daſs sie ihn als reine Ein- sicht nimmt und ihn so, sich selbst nicht erkennend, für Irrthum erklärt. In der Einsicht als solcher faſst das Bewuſstseyn einen Gegenſtand so, daſs er ihm zum Wesen des Bewuſstseyns oder zu einem Gegen- ſtande wird, den es durchdringt, worin es sich er- hält, bey sich selbſt und sich gegenwärtig bleibt, und indem es hiemit seine Bewegung ist, ihn her- vorbringt. Als eben dieses spricht die Aufklärung den Glauben richtig aus, indem sie von ihm sagt, daſs das, was ihm das abſolute Wesen ist, ein Seyn seines eignen Bewuſstseyns, sein eigner Gedanke, ein vom Bewuſstseyn hervorgebrachtes sey. Sie er- klärt ihn hiemit für Irrthum und Erdichtung über daſſelbe, was sie ist. — Sie, die den Glauben die neue Weisheit lehren will, sagt ihm damit nichts neues; denn sein Gegenſtand ist ihm auch gerade
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deſſelben aber, ihre Verunreinigung durch die Auf-
nahme des negativen Verhaltens in ihre sichſelbſt-
gleiche Reinheit ist es, wie sie für den Glauben Ge-
genſtand ist; der sie alſo als Lüge, Unvernunft und
schlechte Absicht erfährt, so wie er für sie Irrthum
und Vorurtheil iſt. — In Rücksicht auf ihren In-
halt ist sie zunächst die leere Einsicht, der ihr In-
halt als ein Anderes erſcheint, sie findet ihn daher
in dieser Geſtalt, daſs er noch nicht der ihrige ist,
vor, als ein von ihr ganz unabhängiges Daseyn, in
dem Glauben.
Die Aufklärung faſst alſo ihren Gegenſtand zu-
erſt und allgemein so auf, daſs sie ihn als reine Ein-
sicht nimmt und ihn so, sich selbst nicht erkennend,
für Irrthum erklärt. In der Einsicht als solcher faſst
das Bewuſstseyn einen Gegenſtand so, daſs er ihm
zum Wesen des Bewuſstseyns oder zu einem Gegen-
ſtande wird, den es durchdringt, worin es sich er-
hält, bey sich selbſt und sich gegenwärtig bleibt,
und indem es hiemit seine Bewegung ist, ihn her-
vorbringt. Als eben dieses spricht die Aufklärung
den Glauben richtig aus, indem sie von ihm sagt,
daſs das, was ihm das abſolute Wesen ist, ein Seyn
seines eignen Bewuſstseyns, sein eigner Gedanke,
ein vom Bewuſstseyn hervorgebrachtes sey. Sie er-
klärt ihn hiemit für Irrthum und Erdichtung über
daſſelbe, was sie ist. — Sie, die den Glauben die
neue Weisheit lehren will, sagt ihm damit nichts
neues; denn sein Gegenſtand ist ihm auch gerade
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 496. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/605>, abgerufen am 22.11.2024.
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