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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807.

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mit dem Negativen als dem Falschen verschont
bleiben wollen, und verlangen ohne weiteres
zur Wahrheit geführt zu werden; wozu sich
mit dem Falschen abgeben? -- Wovon schon
oben die Rede war, dass sogleich mit der Wis-
senschaft sollte angefangen werden, darauf ist
hier nach der Seite zu antworten, welche Be-
schaffenheit es mit dem Negativen als Falschem
überhaupt hat. Die Vorstellungen hierüber hin-
dern vornemlich den Eingang zur Wahrheit.
Diss wird Veranlassung geben, vom mathema-
tischen Erkennen zu sprechen, welches das un-
philosophische Wissen als das Ideal ansieht, das
zu erreichen die Philosophie streben müsste,
bisher aber vergeblich gestrebt habe.

Das Wahre und Falsche gehört zu den be-
stimmten Gedanken, die bewegungslos für eig-
ne Wesen gelten, deren eines drüben, das and-
re hüben ohne Gemeinschaft mit dem andern
isolirt und fest steht. Dagegen muss behauptet
werden, dass die Wahrheit nicht eine ausge-
prägte Münze ist, die fertig gegeben, und so
eingestrichen werden kann. Noch gibt es ein
Falsches so wenig es ein Böses gibt. So schlimm
zwar als der Teufel ist das Böse und Falsche
nicht, denn als dieser sind sie sogar zum be-
sondern Subjecte gemacht; als Falsches und Bö-

mit dem Negativen als dem Falſchen verſchont
bleiben wollen, und verlangen ohne weiteres
zur Wahrheit geführt zu werden; wozu ſich
mit dem Falſchen abgeben? — Wovon ſchon
oben die Rede war, daſs ſogleich mit der Wiſ-
ſenſchaft ſollte angefangen werden, darauf iſt
hier nach der Seite zu antworten, welche Be-
ſchaffenheit es mit dem Negativen als Falſchem
überhaupt hat. Die Vorſtellungen hierüber hin-
dern vornemlich den Eingang zur Wahrheit.
Diſs wird Veranlaſſung geben, vom mathema-
tiſchen Erkennen zu ſprechen, welches das un-
philoſophiſche Wiſſen als das Ideal anſieht, das
zu erreichen die Philoſophie ſtreben müſste,
bisher aber vergeblich geſtrebt habe.

Das Wahre und Falſche gehört zu den be-
ſtimmten Gedanken, die bewegungslos für eig-
ne Weſen gelten, deren eines drüben, das and-
re hüben ohne Gemeinſchaft mit dem andern
iſolirt und feſt ſteht. Dagegen muſs behauptet
werden, daſs die Wahrheit nicht eine ausge-
prägte Münze iſt, die fertig gegeben, und ſo
eingeſtrichen werden kann. Noch gibt es ein
Falſches ſo wenig es ein Böſes gibt. So ſchlimm
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[XLV/0060] mit dem Negativen als dem Falſchen verſchont bleiben wollen, und verlangen ohne weiteres zur Wahrheit geführt zu werden; wozu ſich mit dem Falſchen abgeben? — Wovon ſchon oben die Rede war, daſs ſogleich mit der Wiſ- ſenſchaft ſollte angefangen werden, darauf iſt hier nach der Seite zu antworten, welche Be- ſchaffenheit es mit dem Negativen als Falſchem überhaupt hat. Die Vorſtellungen hierüber hin- dern vornemlich den Eingang zur Wahrheit. Diſs wird Veranlaſſung geben, vom mathema- tiſchen Erkennen zu ſprechen, welches das un- philoſophiſche Wiſſen als das Ideal anſieht, das zu erreichen die Philoſophie ſtreben müſste, bisher aber vergeblich geſtrebt habe. Das Wahre und Falſche gehört zu den be- ſtimmten Gedanken, die bewegungslos für eig- ne Weſen gelten, deren eines drüben, das and- re hüben ohne Gemeinſchaft mit dem andern iſolirt und feſt ſteht. Dagegen muſs behauptet werden, daſs die Wahrheit nicht eine ausge- prägte Münze iſt, die fertig gegeben, und ſo eingeſtrichen werden kann. Noch gibt es ein Falſches ſo wenig es ein Böſes gibt. So ſchlimm zwar als der Teufel iſt das Böſe und Falſche nicht, denn als dieſer ſind ſie ſogar zum be- ſondern Subjecte gemacht; als Falſches und Bö-

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Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. XLV. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/60>, abgerufen am 25.11.2024.