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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807.

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so wie ihren sonstigen Eigennutz ausführt, und zu-
gleich mit dem Despotismus sich verschwört, der als
die synthetische, begrifflose Einheit des realen und
dieses idealen Reichs, -- ein seltsam inconsequen-
tes Wesen, -- über der schlechten Einsicht der
Menge, und der schlechten Absicht der Priester
steht, und beydes auch in sich vereinigt, aus der
Dummheit und Verwirrung des Volks durch das
Mittel der betriegenden Priesterschafft, beyde ver-
achtend, den Vortheil der ruhigen Beherrschung
und der Vollführung seiner Lüfte und Willkühr
zieht, zugleich aber dieselbe Dumpfheit der Einsicht,
der gleiche Aberglauben und Irrthum ist.

Gegen diese drey Seiten des Feindes lässt die Auf-
klärung sich nicht ohne Unterschied ein; denn in-
dem ihr Wesen reine Einsicht, das an und für sich
allgemeine ist, so ist ihre wahre Beziehung auf das
andere Extrem diejenige, in welcher sie auf das
Gemeinschafftliche und Gleiche beyder geht. Die Seite
der aus dem allgemeinen unbesangenen Bewusstseyn
sich isolirenden Einzelnheit ist das ihr entgegenge-
setzte, das sie nicht unmittelbar berühren kann.
Der Willen der betriegenden Priesterschafft und des
unterdrückenden Despoten ist daher nicht unmittel-
barer Gegenstand ihres Thuns, sondern die willen-
lose, nicht zum Fürsichseyn sich vereinzelnde Ein-
sicht, der Begriff des vernünftigen Selbstbewusst-
seyns, der an der Masse sein Daseyn hat, aber in
ihr noch nicht als Begriff vorhanden ist. Indem

so wie ihren sonſtigen Eigennutz ausführt, und zu-
gleich mit dem Despotismus sich verschwört, der als
die synthetische, begrifflose Einheit des realen und
dieses idealen Reichs, — ein seltsam inconsequen-
tes Wesen, — über der schlechten Einsicht der
Menge, und der schlechten Absicht der Prieſter
ſteht, und beydes auch in sich vereinigt, aus der
Dummheit und Verwirrung des Volks durch das
Mittel der betriegenden Prieſterschafft, beyde ver-
achtend, den Vortheil der ruhigen Beherrschung
und der Vollführung seiner Lüfte und Willkühr
zieht, zugleich aber dieselbe Dumpfheit der Einsicht,
der gleiche Aberglauben und Irrthum ist.

Gegen dieſe drey Seiten des Feindes läſst die Auf-
klärung sich nicht ohne Unterschied ein; denn in-
dem ihr Wesen reine Einsicht, das an und für sich
allgemeine ist, so ist ihre wahre Beziehung auf das
andere Extrem diejenige, in welcher sie auf das
Gemeinschafftliche und Gleiche beyder geht. Die Seite
der aus dem allgemeinen unbeſangenen Bewuſstseyn
sich isolirenden Einzelnheit ist das ihr entgegenge-
setzte, das sie nicht unmittelbar berühren kann.
Der Willen der betriegenden Priesterschafft und des
unterdrückenden Despoten ist daher nicht unmittel-
barer Gegenſtand ihres Thuns, sondern die willen-
lose, nicht zum Fürsichseyn sich vereinzelnde Ein-
sicht, der Begriff des vernünftigen Selbstbewuſst-
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[490/0599] so wie ihren sonſtigen Eigennutz ausführt, und zu- gleich mit dem Despotismus sich verschwört, der als die synthetische, begrifflose Einheit des realen und dieses idealen Reichs, — ein seltsam inconsequen- tes Wesen, — über der schlechten Einsicht der Menge, und der schlechten Absicht der Prieſter ſteht, und beydes auch in sich vereinigt, aus der Dummheit und Verwirrung des Volks durch das Mittel der betriegenden Prieſterschafft, beyde ver- achtend, den Vortheil der ruhigen Beherrschung und der Vollführung seiner Lüfte und Willkühr zieht, zugleich aber dieselbe Dumpfheit der Einsicht, der gleiche Aberglauben und Irrthum ist. Gegen dieſe drey Seiten des Feindes läſst die Auf- klärung sich nicht ohne Unterschied ein; denn in- dem ihr Wesen reine Einsicht, das an und für sich allgemeine ist, so ist ihre wahre Beziehung auf das andere Extrem diejenige, in welcher sie auf das Gemeinschafftliche und Gleiche beyder geht. Die Seite der aus dem allgemeinen unbeſangenen Bewuſstseyn sich isolirenden Einzelnheit ist das ihr entgegenge- setzte, das sie nicht unmittelbar berühren kann. Der Willen der betriegenden Priesterschafft und des unterdrückenden Despoten ist daher nicht unmittel- barer Gegenſtand ihres Thuns, sondern die willen- lose, nicht zum Fürsichseyn sich vereinzelnde Ein- sicht, der Begriff des vernünftigen Selbstbewuſst- seyns, der an der Maſſe sein Daseyn hat, aber in ihr noch nicht als Begriff vorhanden ist. Indem

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Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 490. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/599>, abgerufen am 16.07.2024.