oder des Vorstellens sich gegenüber hat und sich dagegen richtet; ihr eigner Gegenstand aber ist nur das reine Ich. -- Das einfache Bewusstseyn des posi- tiven oder der ruhigen Sichselbstgleichheit hat hin- gegen das innere Wesen als Wesen zum Gegenstande. Die reine Einsicht hat daher zunächst an ihr selbst keinen Inhalt, weil sie das negative Fürsichseyn ist; dem Glauben dagegen gehört der Inhalt an, ohne Einsicht. Wenn jene nicht aus dem Selbstbewusst- seyn heraustritt, so hat dieser seinen Inhalt zwar ebenfalls im Element des reinen Selbstbewusstseyns, aber im Denken, nicht in Begriffen, im reinen Be- wusstseyn, nicht im reinen Selbstbewusstseyn. Er ist hiemit zwar reines Bewusstseyn des Wesens, das heisst, des einfachen Innern und ist also Denken; -- das Hauptmoment in der Natur des Glaubens, das gewöhnlich übersehen wird. Die Unmittelbarkeit, mit der das Wesen in ihm ist, liegt darin, dass sein Gegenstand Wesen, das heisst, reiner Gedanke ist. Diese Unmittelbarkeit aber, insofern das Denken ins Bewusstseyn oder das reine Bewusstseyn in das Selbst- bewusstseyn eintritt, erhält die Bedeutung eines ge- genständlichen Seyns, das jenseits des Bewusstseyns des Selbsts liegt. Durch diese Bedeutung, welche die Unmittelbarkeit und Einfachheit des reinen Den- kens im Bewusstseyn erhält, ist es, dass das Wesen des Glaubens in die Vorstellung aus dem Denken her- abfällt, und zu einer übersinnlichen Welt wird, welche wesentlich ein Anders des Selbstbewusstseyn[s]
oder des Vorſtellens sich gegenüber hat und sich dagegen richtet; ihr eigner Gegenſtand aber ist nur das reine Ich. — Das einfache Bewuſstseyn des posi- tiven oder der ruhigen Sichſelbſtgleichheit hat hin- gegen das innere Wesen als Weſen zum Gegenſtande. Die reine Einsicht hat daher zunächſt an ihr ſelbſt keinen Inhalt, weil sie das negative Fürsichſeyn ist; dem Glauben dagegen gehört der Inhalt an, ohne Einsicht. Wenn jene nicht aus dem Selbſtbewuſst- seyn heraustritt, so hat dieſer ſeinen Inhalt zwar ebenfalls im Element des reinen Selbſtbewuſstſeyns, aber im Denken, nicht in Begriffen, im reinen Be- wuſstſeyn, nicht im reinen Selbſtbewuſstſeyn. Er ist hiemit zwar reines Bewuſstſeyn des Wesens, das heiſst, des einfachen Innern und ist alſo Denken; — das Hauptmoment in der Natur des Glaubens, das gewöhnlich überſehen wird. Die Unmittelbarkeit, mit der das Weſen in ihm ist, liegt darin, daſs sein Gegenſtand Wesen, das heiſst, reiner Gedanke ist. Dieſe Unmittelbarkeit aber, inſofern das Denken ins Bewuſstſeyn oder das reine Bewuſstſeyn in das Selbſt- bewuſstseyn eintritt, erhält die Bedeutung eines ge- genſtändlichen Seyns, das jenſeits des Bewuſstseyns des Selbſts liegt. Durch dieſe Bedeutung, welche die Unmittelbarkeit und Einfachheit des reinen Den- kens im Bewuſstseyn erhält, ist es, daſs das Weſen des Glaubens in die Vorstellung aus dem Denken her- abfällt, und zu einer überſinnlichen Welt wird, welche weſentlich ein Anders des Selbſtbewuſstseyn[s]
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oder des Vorſtellens sich gegenüber hat und sich
dagegen richtet; ihr eigner Gegenſtand aber ist nur
das reine Ich. — Das einfache Bewuſstseyn des posi-
tiven oder der ruhigen Sichſelbſtgleichheit hat hin-
gegen das innere Wesen als Weſen zum Gegenſtande.
Die reine Einsicht hat daher zunächſt an ihr ſelbſt
keinen Inhalt, weil sie das negative Fürsichſeyn ist;
dem Glauben dagegen gehört der Inhalt an, ohne
Einsicht. Wenn jene nicht aus dem Selbſtbewuſst-
seyn heraustritt, so hat dieſer ſeinen Inhalt zwar
ebenfalls im Element des reinen Selbſtbewuſstſeyns,
aber im Denken, nicht in Begriffen, im reinen Be-
wuſstſeyn, nicht im reinen Selbſtbewuſstſeyn. Er ist
hiemit zwar reines Bewuſstſeyn des Wesens, das
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gewöhnlich überſehen wird. Die Unmittelbarkeit, mit
der das Weſen in ihm ist, liegt darin, daſs sein
Gegenſtand Wesen, das heiſst, reiner Gedanke ist.
Dieſe Unmittelbarkeit aber, inſofern das Denken ins
Bewuſstſeyn oder das reine Bewuſstſeyn in das Selbſt-
bewuſstseyn eintritt, erhält die Bedeutung eines ge-
genſtändlichen Seyns, das jenſeits des Bewuſstseyns
des Selbſts liegt. Durch dieſe Bedeutung, welche
die Unmittelbarkeit und Einfachheit des reinen Den-
kens im Bewuſstseyn erhält, ist es, daſs das Weſen
des Glaubens in die Vorstellung aus dem Denken her-
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 479. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/588>, abgerufen am 22.11.2024.
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