gibt sich aber nicht hin als eine selbstlose Natur, als die unbefangen sich preissgebende Bedingung des Lebens, sondern als selbstbewusstes, sich für sich haltendes Wesen: er ist nicht die unorganische Macht des Elements, welche von dem empfangen- den Bewusstseyn als an sich vergänglich gewusst wird, sondern die Macht über das Selbst, die sich unab- hängig und willkührlich weiss, und die zugleich weiss, dass was sie ausspendet, das Selbst eines Andern ist. -- Der Reichthum theilt also mit dem Klienten die Verworfenheit, aber an die Stelle der Empö- rung tritt der Uebermuth. Denn er weiss nach der einen Seite, wie der Klient, das Fürsichseyn als ein zufälliges Ding; aber er selbst ist diese Zufälligkeit, in deren Gewalt die Persönlichkeit steht. In diesem Uebermuthe, der durch eine Mahlzeit ein fremdes Ichselbst erhalten, und sich dadurch die Unterwer- fung von dessen innerstem Wesen erworben zu ha- ben meynt, übersieht er die innere Empörung des andern; er übersieht die vollkommene Abwerfung aller Fessel, diese reine Zerrissenheit, welcher, in- dem ihr die Sichselbstgleichheit des Fürsichseyns schlechthin ungleich geworden, alles Gleiche, alles Bestehen zerrissen ist, und die daher die Meynung und Ansicht des Wohlthäters an meisten zerreisst. Er steht unmittelbar vor diesem innersten Abgrunde, vor dieser bodenlosen Tiefe, worinn aller Halt und Substanz verschwunden ist; und er sieht in dieser Tiefe nichts als ein gemeines Ding, ein Spiel seiner
gibt sich aber nicht hin als eine selbstlose Natur, als die unbefangen sich preiſsgebende Bedingung des Lebens, sondern als selbſtbewuſstes, sich für sich haltendes Wesen: er ist nicht die unorganische Macht des Elements, welche von dem empfangen- den Bewuſstseyn als an sich vergänglich gewuſst wird, sondern die Macht über das Selbſt, die sich unab- hängig und willkührlich weiſs, und die zugleich weiſs, daſs was sie ausſpendet, das Selbſt eines Andern ist. — Der Reichthum theilt also mit dem Klienten die Verworfenheit, aber an die Stelle der Empö- rung tritt der Uebermuth. Denn er weiſs nach der einen Seite, wie der Klient, das Fürsichseyn als ein zufälliges Ding; aber er selbſt ist diese Zufälligkeit, in deren Gewalt die Persönlichkeit steht. In diesem Uebermuthe, der durch eine Mahlzeit ein fremdes Ichselbſt erhalten, und sich dadurch die Unterwer- fung von deſſen innerſtem Wesen erworben zu ha- ben meynt, übersieht er die innere Empörung des andern; er übersieht die vollkommene Abwerfung aller Feſſel, diese reine Zerriſſenheit, welcher, in- dem ihr die Sichselbſtgleichheit des Fürsichseyns schlechthin ungleich geworden, alles Gleiche, alles Beſtehen zerriſſen ist, und die daher die Meynung und Ansicht des Wohlthäters an meiſten zerreiſst. Er ſteht unmittelbar vor diesem innerſten Abgrunde, vor dieser bodenlosen Tiefe, worinn aller Halt und Subſtanz verschwunden ist; und er sieht in dieser Tiefe nichts als ein gemeines Ding, ein Spiel seiner
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gibt sich aber nicht hin als eine selbstlose Natur,
als die unbefangen sich preiſsgebende Bedingung des
Lebens, sondern als selbſtbewuſstes, sich für sich
haltendes Wesen: er ist nicht die unorganische
Macht des Elements, welche von dem empfangen-
den Bewuſstseyn als an sich vergänglich gewuſst
wird, sondern die Macht über das Selbſt, die sich unab-
hängig und willkührlich weiſs, und die zugleich weiſs,
daſs was sie ausſpendet, das Selbſt eines Andern
ist. — Der Reichthum theilt also mit dem Klienten
die Verworfenheit, aber an die Stelle der Empö-
rung tritt der Uebermuth. Denn er weiſs nach der
einen Seite, wie der Klient, das Fürsichseyn als ein
zufälliges Ding; aber er selbſt ist diese Zufälligkeit,
in deren Gewalt die Persönlichkeit steht. In diesem
Uebermuthe, der durch eine Mahlzeit ein fremdes
Ichselbſt erhalten, und sich dadurch die Unterwer-
fung von deſſen innerſtem Wesen erworben zu ha-
ben meynt, übersieht er die innere Empörung des
andern; er übersieht die vollkommene Abwerfung
aller Feſſel, diese reine Zerriſſenheit, welcher, in-
dem ihr die Sichselbſtgleichheit des Fürsichseyns
schlechthin ungleich geworden, alles Gleiche, alles
Beſtehen zerriſſen ist, und die daher die Meynung
und Ansicht des Wohlthäters an meiſten zerreiſst.
Er ſteht unmittelbar vor diesem innerſten Abgrunde,
vor dieser bodenlosen Tiefe, worinn aller Halt und
Subſtanz verschwunden ist; und er sieht in dieser
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 464. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/573>, abgerufen am 22.11.2024.
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