Hiernach findet nun das an und fürsichseyende Bewusstseyn in der Staatsmacht wohl sein einfaches Wesen und Bestehen überhaupt, allein nicht seine Individualität als solche, wohl sein Ansich, nicht sein Fürsichseyn, es findet darin vielmehr das Thun als einzelnes Thun verleugnet und zum Gehorsam unterjocht. Das Individuum reflectirt sich also vor dieser Macht in sich selbst; sie ist ihm das un- terdrückende Wesen, und das Schlechte; denn statt das Gleiche zu seyn, ist sie das der Individualität schlechthin Ungleiche. -- Hingegen der Reichthum ist das Gute; er geht auf allgemeinen Genuss, gibt sich preiss, und verschafft allen das Bewusstseyn ih- res Selbsts. Er ist ansich allgemeines Wohlthun; wenn er irgend eine Wohlthat versagt, und nicht jedem Bedürfnisse gefällig ist, so ist diss eine Zu- fälligkeit, welche seinem allgemeinen nothwendigen Wesen, sich allen Einzelnen mitzutheilen und tau- sendhändiger Geber zu seyn, keinen Eintrag thut.
Diese beyden Urtheile geben den Gedanken von Gut und Schlecht einen Inhalt, welcher das Ge- gentheil von dem ist, den sie für uns hatten. -- Das Selbstbewusstseyn hat sich aber nur erst un- vollständig auf seine Gegenstände bezogen, nemlich nur nach dem Massstabe des für sich seyns. Aber das Bewusstseyn ist ebenso ansichseyendes Wesen, und muss diese Seite gleichfalls zum Massstabe ma- chen, wodurch sich erst das geistige Urtheil vol- lendet. Nach dieser Seite spricht ihm die Staats-
Hiernach findet nun das an und fürsichseyende Bewuſstseyn in der Staatsmacht wohl sein einfaches Wesen und Bestehen überhaupt, allein nicht seine Individualität als solche, wohl sein Ansich, nicht sein Fürsichseyn, es findet darin vielmehr das Thun als einzelnes Thun verleugnet und zum Gehorsam unterjocht. Das Individuum reflectirt sich also vor dieser Macht in sich selbst; sie ist ihm das un- terdrückende Wesen, und das Schlechte; denn statt das Gleiche zu seyn, ist sie das der Individualität schlechthin Ungleiche. — Hingegen der Reichthum ist das Gute; er geht auf allgemeinen Genuſs, gibt sich preiſs, und verschafft allen das Bewuſstseyn ih- res Selbsts. Er ist ansich allgemeines Wohlthun; wenn er irgend eine Wohlthat versagt, und nicht jedem Bedürfnisse gefällig ist, so ist diſs eine Zu- fälligkeit, welche seinem allgemeinen nothwendigen Wesen, sich allen Einzelnen mitzutheilen und tau- sendhändiger Geber zu seyn, keinen Eintrag thut.
Diese beyden Urtheile geben den Gedanken von Gut und Schlecht einen Inhalt, welcher das Ge- gentheil von dem ist, den sie für uns hatten. — Das Selbstbewuſstseyn hat sich aber nur erst un- vollständig auf seine Gegenstände bezogen, nemlich nur nach dem Maſsstabe des für sich seyns. Aber das Bewuſstseyn ist ebenso ansichseyendes Wesen, und muſs diese Seite gleichfalls zum Maſsstabe ma- chen, wodurch sich erst das geistige Urtheil vol- lendet. Nach dieser Seite spricht ihm die Staats-
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Hiernach findet nun das an und fürsichseyende
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sein Fürsichseyn, es findet darin vielmehr das Thun
als einzelnes Thun verleugnet und zum Gehorsam
unterjocht. Das Individuum reflectirt sich also
vor dieser Macht in sich selbst; sie ist ihm das un-
terdrückende Wesen, und das Schlechte; denn statt
das Gleiche zu seyn, ist sie das der Individualität
schlechthin Ungleiche. — Hingegen der Reichthum
ist das Gute; er geht auf allgemeinen Genuſs, gibt
sich preiſs, und verschafft allen das Bewuſstseyn ih-
res Selbsts. Er ist ansich allgemeines Wohlthun;
wenn er irgend eine Wohlthat versagt, und nicht
jedem Bedürfnisse gefällig ist, so ist diſs eine Zu-
fälligkeit, welche seinem allgemeinen nothwendigen
Wesen, sich allen Einzelnen mitzutheilen und tau-
sendhändiger Geber zu seyn, keinen Eintrag thut.
Diese beyden Urtheile geben den Gedanken von
Gut und Schlecht einen Inhalt, welcher das Ge-
gentheil von dem ist, den sie für uns hatten. —
Das Selbstbewuſstseyn hat sich aber nur erst un-
vollständig auf seine Gegenstände bezogen, nemlich
nur nach dem Maſsstabe des für sich seyns. Aber
das Bewuſstseyn ist ebenso ansichseyendes Wesen,
und muſs diese Seite gleichfalls zum Maſsstabe ma-
chen, wodurch sich erst das geistige Urtheil vol-
lendet. Nach dieser Seite spricht ihm die Staats-
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 445. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/554>, abgerufen am 22.11.2024.
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