Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

seyns in sich auf, und berechtigt sie. Die Allgemein-
heit aber, welche hier gilt, ist die gewordne, und
darum ist sie wirklich.

Wodurch also das Individuum hier Gelten und
Wirklichkeit hat, ist die Bildung. Seine wahre ur-
sprüngliche Natur
und Substanz ist der Geist der Ent-
fremdung
des natürlichen Seyns. Diese Entäusserung
ist daher ebenso Zweck als Daseyn desselben; sie ist
zugleich das Mittel oder der Uebergang sowohl der ge-
dachten Substanz
in die Wirklichkeit, als umgekehrt der
bestimmten Individualität in die Wesentlichkeit. Diese
Individualität bildet sich zu dem, was sie ansich ist,
und erst dadurch ist sie an sich, und hat wirkliches
Daseyn; soviel sie Bildung hat, soviel Wirklichkeit
und Macht. Obwohl das Selbst als dieses sich hier
wirklich weiss, so besteht doch seine Wirklichkeit
allein in dem Aufheben des natürlichen Selbsts; die
ursprünglich bestimmte Natur reducirt sich daher auf
den unwesentlichen Unterschied der Grösse, auf eine
grössere oder geringere Energie des Willens. Zweck
und Inhalt aber desselben gehört allein der allgemei-
nen Substanz selbst an, und kann nur ein Allgemei-
nes seyn; die Besonderheit einer Natur, die Zweck
und Inhalt wird, ist etwas unmächtiges und unwirk-
liches
; sie ist eine Art, die sich vergeblich und lächer-
lich abmüht, sich ins Werk zu setzen; sie ist der
Widerspruch dem Besondern die Wirklichkeit zu
geben, die unmittelbar das Allgemeine ist. Wenn
daher fälschlicher Weise die Individualität in die Be-

seyns in sich auf, und berechtigt sie. Die Allgemein-
heit aber, welche hier gilt, ist die gewordne, und
darum ist sie wirklich.

Wodurch also das Individuum hier Gelten und
Wirklichkeit hat, ist die Bildung. Seine wahre ur-
sprüngliche Natur
und Substanz ist der Geist der Ent-
fremdung
des natürlichen Seyns. Diese Entäusserung
ist daher ebenso Zweck als Daseyn desselben; sie ist
zugleich das Mittel oder der Uebergang sowohl der ge-
dachten Substanz
in die Wirklichkeit, als umgekehrt der
bestimmten Individualität in die Wesentlichkeit. Diese
Individualität bildet sich zu dem, was sie ansich ist,
und erst dadurch ist sie an sich, und hat wirkliches
Daseyn; soviel sie Bildung hat, soviel Wirklichkeit
und Macht. Obwohl das Selbst als dieses sich hier
wirklich weiſs, so besteht doch seine Wirklichkeit
allein in dem Aufheben des natürlichen Selbsts; die
ursprünglich bestimmte Natur reducirt sich daher auf
den unwesentlichen Unterschied der Gröſse, auf eine
gröſsere oder geringere Energie des Willens. Zweck
und Inhalt aber desselben gehört allein der allgemei-
nen Substanz selbst an, und kann nur ein Allgemei-
nes seyn; die Besonderheit einer Natur, die Zweck
und Inhalt wird, ist etwas unmächtiges und unwirk-
liches
; sie ist eine Art, die sich vergeblich und lächer-
lich abmüht, sich ins Werk zu setzen; sie ist der
Widerspruch dem Besondern die Wirklichkeit zu
geben, die unmittelbar das Allgemeine ist. Wenn
daher fälschlicher Weise die Individualität in die Be-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0545" n="436"/>
seyns in sich auf, und berechtigt sie. Die Allgemein-<lb/>
heit aber, welche hier gilt, ist die <hi rendition="#i">gewordne</hi>, und<lb/>
darum ist sie <hi rendition="#i">wirklich</hi>.</p><lb/>
                <p>Wodurch also das Individuum hier Gelten und<lb/>
Wirklichkeit hat, ist die <hi rendition="#i">Bildung</hi>. Seine wahre <hi rendition="#i">ur-<lb/>
sprüngliche Natur</hi> und Substanz ist der Geist der <hi rendition="#i">Ent-<lb/>
fremdung</hi> des <hi rendition="#i">natürlichen</hi> Seyns. Diese Entäusserung<lb/>
ist daher ebenso <hi rendition="#i">Zweck</hi> als <hi rendition="#i">Daseyn</hi> desselben; sie ist<lb/>
zugleich das <hi rendition="#i">Mittel</hi> oder der <hi rendition="#i">Uebergang</hi> sowohl der <hi rendition="#i">ge-<lb/>
dachten Substanz</hi> in die <hi rendition="#i">Wirklichkeit</hi>, als umgekehrt der<lb/><hi rendition="#i">bestimmten Individualität</hi> in die <hi rendition="#i">Wesentlichkeit</hi>. Diese<lb/>
Individualität <hi rendition="#i">bildet</hi> sich zu dem, was sie <hi rendition="#i">ansich</hi> ist,<lb/>
und erst dadurch <hi rendition="#i">ist</hi> sie <hi rendition="#i">an sich</hi>, und hat wirkliches<lb/>
Daseyn; soviel sie Bildung hat, soviel Wirklichkeit<lb/>
und Macht. Obwohl das Selbst als <hi rendition="#i">dieses</hi> sich hier<lb/>
wirklich wei&#x017F;s, so besteht doch seine Wirklichkeit<lb/>
allein in dem Aufheben des natürlichen Selbsts; die<lb/>
ursprünglich <hi rendition="#i">bestimmte</hi> Natur reducirt sich daher auf<lb/>
den <hi rendition="#i">unwesentlichen</hi> Unterschied der Grö&#x017F;se, auf eine<lb/>
grö&#x017F;sere oder geringere Energie des Willens. Zweck<lb/>
und Inhalt aber desselben gehört allein der allgemei-<lb/>
nen Substanz selbst an, und kann nur ein Allgemei-<lb/>
nes seyn; die Besonderheit einer Natur, die Zweck<lb/>
und Inhalt wird, ist etwas <hi rendition="#i">unmächtiges</hi> und <hi rendition="#i">unwirk-<lb/>
liches</hi>; sie ist eine <hi rendition="#i">Art</hi>, die sich vergeblich und lächer-<lb/>
lich abmüht, sich ins Werk zu setzen; sie ist der<lb/>
Widerspruch dem Besondern die Wirklichkeit zu<lb/>
geben, die unmittelbar das Allgemeine ist. Wenn<lb/>
daher fälschlicher Weise die Individualität in die <hi rendition="#i">Be-<lb/></hi></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[436/0545] seyns in sich auf, und berechtigt sie. Die Allgemein- heit aber, welche hier gilt, ist die gewordne, und darum ist sie wirklich. Wodurch also das Individuum hier Gelten und Wirklichkeit hat, ist die Bildung. Seine wahre ur- sprüngliche Natur und Substanz ist der Geist der Ent- fremdung des natürlichen Seyns. Diese Entäusserung ist daher ebenso Zweck als Daseyn desselben; sie ist zugleich das Mittel oder der Uebergang sowohl der ge- dachten Substanz in die Wirklichkeit, als umgekehrt der bestimmten Individualität in die Wesentlichkeit. Diese Individualität bildet sich zu dem, was sie ansich ist, und erst dadurch ist sie an sich, und hat wirkliches Daseyn; soviel sie Bildung hat, soviel Wirklichkeit und Macht. Obwohl das Selbst als dieses sich hier wirklich weiſs, so besteht doch seine Wirklichkeit allein in dem Aufheben des natürlichen Selbsts; die ursprünglich bestimmte Natur reducirt sich daher auf den unwesentlichen Unterschied der Gröſse, auf eine gröſsere oder geringere Energie des Willens. Zweck und Inhalt aber desselben gehört allein der allgemei- nen Substanz selbst an, und kann nur ein Allgemei- nes seyn; die Besonderheit einer Natur, die Zweck und Inhalt wird, ist etwas unmächtiges und unwirk- liches; sie ist eine Art, die sich vergeblich und lächer- lich abmüht, sich ins Werk zu setzen; sie ist der Widerspruch dem Besondern die Wirklichkeit zu geben, die unmittelbar das Allgemeine ist. Wenn daher fälschlicher Weise die Individualität in die Be-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/545
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/545>, abgerufen am 25.11.2024.