hende Bestimmungen sind. Aber ein wesentliches Moment ist diss Geschiedne, Unwirkliche selbst; denn nur darum, dass das Concrete sich schei- det, und zum Unwirklichen macht, ist es das sich bewegende. Die Thätigkeit des Scheidens ist die Krafft und Arbeit des Verstandes, der verwundersamsten und grössten, oder vielmehr der absoluten Macht. Der Kreis, der in sich geschlossen ruht, und als Substanz seine Momen- te hält, ist das unmittelbare und darum nicht verwundersame Verhältniss. Aber dass das von seinem Umfange getrennte Accidentelle als sol- ches, das gebundne und nur in seinem Zusam- menhange mit anderm Wirkliche ein eigenes Da- seyn und abgesonderte Freyheit gewinnt, ist die ungeheure Macht des Negativen; es ist die En- ergie des Denkens, des reinen Ichs. Der Tod, wenn wir jene Unwirklichkeit so nennen wollen, ist das furchtbarste, und das Todte fest zu hal- ten, das, was die grösste Krafft erfodert. Die kraftlose Schönheit hasst den Verstand, weil er ihr diss zumuthet was sie nicht vermag. Aber nicht das Leben, das sich vor dem Tode scheut und von der Verwüstung rein bewahrt, sondern das ihn erträgt, und in ihm sich erhält, ist das Leben des Geistes. Er gewinnt seine Wahrheit nur, indem er in der absoluten Zerrissenheit
hende Bestimmungen sind. Aber ein wesentliches Moment ist diſs Geschiedne, Unwirkliche selbst; denn nur darum, daſs das Concrete sich schei- det, und zum Unwirklichen macht, ist es das sich bewegende. Die Thätigkeit des Scheidens ist die Krafft und Arbeit des Verstandes, der verwunderſamsten und gröſsten, oder vielmehr der absoluten Macht. Der Kreis, der in sich geschloſſen ruht, und als Substanz seine Momen- te hält, ist das unmittelbare und darum nicht verwundersame Verhältniſs. Aber daſs das von seinem Umfange getrennte Accidentelle als sol- ches, das gebundne und nur in seinem Zusam- menhange mit anderm Wirkliche ein eigenes Da- seyn und abgesonderte Freyheit gewinnt, ist die ungeheure Macht des Negativen; es ist die En- ergie des Denkens, des reinen Ichs. Der Tod, wenn wir jene Unwirklichkeit so nennen wollen, ist das furchtbarste, und das Todte fest zu hal- ten, das, was die gröſste Krafft erfodert. Die kraftlose Schönheit haſst den Verstand, weil er ihr diſs zumuthet was sie nicht vermag. Aber nicht das Leben, das sich vor dem Tode scheut und von der Verwüstung rein bewahrt, sondern das ihn erträgt, und in ihm sich erhält, ist das Leben des Geistes. Er gewinnt seine Wahrheit nur, indem er in der absoluten Zerriſſenheit
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[XXXVIII/0053]
hende Bestimmungen sind. Aber ein wesentliches
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denn nur darum, daſs das Concrete sich schei-
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sich bewegende. Die Thätigkeit des Scheidens
ist die Krafft und Arbeit des Verstandes, der
verwunderſamsten und gröſsten, oder vielmehr
der absoluten Macht. Der Kreis, der in sich
geschloſſen ruht, und als Substanz seine Momen-
te hält, ist das unmittelbare und darum nicht
verwundersame Verhältniſs. Aber daſs das von
seinem Umfange getrennte Accidentelle als sol-
ches, das gebundne und nur in seinem Zusam-
menhange mit anderm Wirkliche ein eigenes Da-
seyn und abgesonderte Freyheit gewinnt, ist die
ungeheure Macht des Negativen; es ist die En-
ergie des Denkens, des reinen Ichs. Der Tod,
wenn wir jene Unwirklichkeit so nennen wollen,
ist das furchtbarste, und das Todte fest zu hal-
ten, das, was die gröſste Krafft erfodert. Die
kraftlose Schönheit haſst den Verstand, weil er
ihr diſs zumuthet was sie nicht vermag. Aber
nicht das Leben, das sich vor dem Tode scheut
und von der Verwüstung rein bewahrt, sondern
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Leben des Geistes. Er gewinnt seine Wahrheit
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. XXXVIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/53>, abgerufen am 15.01.2025.
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