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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807.

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das sittliche ist an sich allgemein, und diss Verhält-
niss der Natur ist wesentlich ebensosehr ein Geist,
und nur als geistiges Wesen sittlich. Es ist zu se-
hen, worin seine eigenthümliche Sittlichkeit be-
steht. -- Zunächst, weil das Sittliche das an sich
allgemeine ist, ist die sittliche Beziehung der Fa-
milienglieder nicht die Beziehung der Empfindung
oder das Verhältniss der Liebe. Das Sittliche scheint
nun in das Verhältniss des einzelnen Familiengliedes
zur ganzen Familie als der Substanz gelegt werden
zu müssen; so dass sein Thun und Wirklichkeit
nur sie zum Zweck und Inhalt hat. Aber der be-
wusste Zweck, den das Thun dieses Ganzen, inso-
fern er auf es selbst geht, hat, ist selbst das Ein-
zelne. Die Erwerbung und Erhaltung von Macht
und Reichthum geht theils nur auf das Bedürfniss
und gehört der Begierde an; theils wird sie in ih-
rer höhern Bestimmung etwas nur mittelbares. Diese
Bestimmung fällt nicht in die Familie selbst, son-
dern geht auf das wahrhafft Allgemeine, das Ge-
meinwesen; sie ist vielmehr negativ gegen die Fa-
milie, und besteht darin, den Einzelnen aus ihr
herauszusetzen, seine Natürlichkeit und Einzelnheit
zu unterjochen, und ihn zur Tugend, zum Leben
in und fürs Allgemeine zu ziehen. Der der Fami-
lie eigenthümliche, positive Zweck ist der Einzelne
als solcher. Dass nun diese Beziehung sittlich sey,
kann er nicht, weder der, welcher handelt, noch
der, auf welchen sich die Handlung bezieht, nach

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das sittliche ist an sich allgemein, und diſs Verhält-
niſs der Natur ist wesentlich ebensosehr ein Geist,
und nur als geistiges Wesen sittlich. Es ist zu se-
hen, worin seine eigenthümliche Sittlichkeit be-
steht. — Zunächst, weil das Sittliche das an sich
allgemeine ist, ist die sittliche Beziehung der Fa-
milienglieder nicht die Beziehung der Empfindung
oder das Verhältniſs der Liebe. Das Sittliche scheint
nun in das Verhältniſs des einzelnen Familiengliedes
zur ganzen Familie als der Substanz gelegt werden
zu müssen; so daſs sein Thun und Wirklichkeit
nur sie zum Zweck und Inhalt hat. Aber der be-
wuſste Zweck, den das Thun dieses Ganzen, inso-
fern er auf es selbst geht, hat, ist selbst das Ein-
zelne. Die Erwerbung und Erhaltung von Macht
und Reichthum geht theils nur auf das Bedürfniſs
und gehört der Begierde an; theils wird sie in ih-
rer höhern Bestimmung etwas nur mittelbares. Diese
Bestimmung fällt nicht in die Familie selbst, son-
dern geht auf das wahrhafft Allgemeine, das Ge-
meinwesen; sie ist vielmehr negativ gegen die Fa-
milie, und besteht darin, den Einzelnen aus ihr
herauszusetzen, seine Natürlichkeit und Einzelnheit
zu unterjochen, und ihn zur Tugend, zum Leben
in und fürs Allgemeine zu ziehen. Der der Fami-
lie eigenthümliche, positive Zweck ist der Einzelne
als solcher. Daſs nun diese Beziehung sittlich sey,
kann er nicht, weder der, welcher handelt, noch
der, auf welchen sich die Handlung bezieht, nach

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[387/0496] das sittliche ist an sich allgemein, und diſs Verhält- niſs der Natur ist wesentlich ebensosehr ein Geist, und nur als geistiges Wesen sittlich. Es ist zu se- hen, worin seine eigenthümliche Sittlichkeit be- steht. — Zunächst, weil das Sittliche das an sich allgemeine ist, ist die sittliche Beziehung der Fa- milienglieder nicht die Beziehung der Empfindung oder das Verhältniſs der Liebe. Das Sittliche scheint nun in das Verhältniſs des einzelnen Familiengliedes zur ganzen Familie als der Substanz gelegt werden zu müssen; so daſs sein Thun und Wirklichkeit nur sie zum Zweck und Inhalt hat. Aber der be- wuſste Zweck, den das Thun dieses Ganzen, inso- fern er auf es selbst geht, hat, ist selbst das Ein- zelne. Die Erwerbung und Erhaltung von Macht und Reichthum geht theils nur auf das Bedürfniſs und gehört der Begierde an; theils wird sie in ih- rer höhern Bestimmung etwas nur mittelbares. Diese Bestimmung fällt nicht in die Familie selbst, son- dern geht auf das wahrhafft Allgemeine, das Ge- meinwesen; sie ist vielmehr negativ gegen die Fa- milie, und besteht darin, den Einzelnen aus ihr herauszusetzen, seine Natürlichkeit und Einzelnheit zu unterjochen, und ihn zur Tugend, zum Leben in und fürs Allgemeine zu ziehen. Der der Fami- lie eigenthümliche, positive Zweck ist der Einzelne als solcher. Daſs nun diese Beziehung sittlich sey, kann er nicht, weder der, welcher handelt, noch der, auf welchen sich die Handlung bezieht, nach B b 2

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Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 387. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/496>, abgerufen am 22.11.2024.