und Boden der Wissenschaft oder das Wissen im Allgemeinen. Der Anfang der Philosophie macht die Voraussetzung oder Foderung, dass das Be- wusstseyn sich in diesem Elemente befinde. Aber dieses Element hat seine Vollendung und Durch- sichtigkeit selbst nur durch die Bewegung seines Werdens. Es ist die reine Geistigkeit, oder das Allgemeine, das die Weise der einfachen Un- mittelbarkeit hat. Weil es die Unmittelbarkeit des Geistes, weil die Substanz überhaupt der Geist ist, ist sie die verklärte Wesenheit, die Re- flexion, die selbst einfach oder die Unmittelbar- keit ist, das Seyn, das die Reflexion in sich selbst ist. Die Wissenschaft von ihrer Seite verlangt vom Selbstbewusstseyn, dass es in die- sen Aether sich erhoben habe, um mit ihr und in ihr leben zu können und zu leben. Umge- kehrt hat das Individuum das Recht zu fodern, dass die Wissenschaft ihm die Leiter wenigstens zu diesem Standpunkte reiche. Sein Recht gründet sich auf seine absolute Selbstständigkeit, die es in jeder Gestalt seines Wissens zu besit- zen weiss, denn in jeder, sey sie von der Wis- senschaft anerkannt oder nicht, und der Inhalt sey welcher er wolle, ist es die absolute Form zugleich oder hat die unmittelbare Gewissheit seiner selbst; und, wenn dieser Ausdruck vor-
und Boden der Wiſſenſchaft oder das Wiſſen im Allgemeinen. Der Anfang der Philoſophie macht die Vorausſetzung oder Foderung, daſs das Be- wuſstſeyn ſich in dieſem Elemente befinde. Aber dieſes Element hat ſeine Vollendung und Durch- ſichtigkeit ſelbſt nur durch die Bewegung ſeines Werdens. Es iſt die reine Geiſtigkeit, oder das Allgemeine, das die Weiſe der einfachen Un- mittelbarkeit hat. Weil es die Unmittelbarkeit des Geiſtes, weil die Subſtanz überhaupt der Geiſt iſt, iſt ſie die verklärte Weſenheit, die Re- flexion, die ſelbſt einfach oder die Unmittelbar- keit iſt, das Seyn, das die Reflexion in ſich ſelbſt iſt. Die Wiſſenſchaft von ihrer Seite verlangt vom Selbſtbewuſstſeyn, daſs es in die- ſen Aether ſich erhoben habe, um mit ihr und in ihr leben zu können und zu leben. Umge- kehrt hat das Individuum das Recht zu fodern, daſs die Wiſſenſchaft ihm die Leiter wenigſtens zu dieſem Standpunkte reiche. Sein Recht gründet ſich auf ſeine abſolute Selbſtſtändigkeit, die es in jeder Geſtalt ſeines Wiſſens zu beſit- zen weiſs, denn in jeder, ſey ſie von der Wiſ- ſenſchaft anerkannt oder nicht, und der Inhalt ſey welcher er wolle, iſt es die abſolute Form zugleich oder hat die unmittelbare Gewiſsheit ſeiner ſelbſt; und, wenn dieſer Ausdruck vor-
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[XXX/0045]
und Boden der Wiſſenſchaft oder das Wiſſen im
Allgemeinen. Der Anfang der Philoſophie macht
die Vorausſetzung oder Foderung, daſs das Be-
wuſstſeyn ſich in dieſem Elemente befinde. Aber
dieſes Element hat ſeine Vollendung und Durch-
ſichtigkeit ſelbſt nur durch die Bewegung ſeines
Werdens. Es iſt die reine Geiſtigkeit, oder das
Allgemeine, das die Weiſe der einfachen Un-
mittelbarkeit hat. Weil es die Unmittelbarkeit
des Geiſtes, weil die Subſtanz überhaupt der
Geiſt iſt, iſt ſie die verklärte Weſenheit, die Re-
flexion, die ſelbſt einfach oder die Unmittelbar-
keit iſt, das Seyn, das die Reflexion in ſich
ſelbſt iſt. Die Wiſſenſchaft von ihrer Seite
verlangt vom Selbſtbewuſstſeyn, daſs es in die-
ſen Aether ſich erhoben habe, um mit ihr und
in ihr leben zu können und zu leben. Umge-
kehrt hat das Individuum das Recht zu fodern,
daſs die Wiſſenſchaft ihm die Leiter wenigſtens
zu dieſem Standpunkte reiche. Sein Recht
gründet ſich auf ſeine abſolute Selbſtſtändigkeit,
die es in jeder Geſtalt ſeines Wiſſens zu beſit-
zen weiſs, denn in jeder, ſey ſie von der Wiſ-
ſenſchaft anerkannt oder nicht, und der Inhalt
ſey welcher er wolle, iſt es die abſolute Form
zugleich oder hat die unmittelbare Gewiſsheit
ſeiner ſelbſt; und, wenn dieſer Ausdruck vor-
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. XXX. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/45>, abgerufen am 21.11.2024.
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