ken. Diss Bewusstseyn, indem es sich zum han- deln bestimmt, lässt sich also durch den Schein der vorhandenen Wirklichkeit nicht irre machen, und ebenso hat es sich aus dem herumtreiben in lee- ren Gedanken und Zwecken auf den ursprünglichen Inhalt seines Wesens zusammenzuhalten. -- Dieser ursprüngliche Inhalt ist zwar erst für das Bewusst- seyn, indem es ihn verwirklicht hat; der Unterschied aber eines solchen, das für das Bewusstseyn nur in- nerhalb seiner, und einer ausser ihm an sich seyen- den Wirklichkeit ist hinweggefallen. -- Nur dass für es sey, was es an sich ist, muss es handeln, oder das Handeln ist eben das Werden des Geistes als Be- wusstseyn. Was es an sich ist, weiss es also aus sei- ner Wirklichkeit. Das Individuum kann daher nicht wissen, was es ist, eh es sich durch das Thun zur Wirklichkeit gebracht hat. -- Es scheint aber hiemit den Zweck seines Thuns nicht bestimmen zu können, eh es gethan hat; aber zugleich muss es, in- dem es Bewusstseyn ist, die Handlung vorher als die ganz seinige, das heisst, als Zweck vor sich haben. Das ans handeln gehende Individuum scheint sich al- so in einem Kreise zu befinden, worin jedes Mo- ment das andere schon voraussetzt, und hiemit kei- nen Anfang finden zu können, weil es sein ursprüng- liches Wesen, das sein Zweck seyn muss, erst aus der That kennen lernt, aber um zu thun, vorher den Zweck haben muss. Ebendarum aber hat es unmit- telbar anzufangen, und unter welchen Umständen
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ken. Diſs Bewuſstseyn, indem es sich zum han- deln bestimmt, läſst sich also durch den Schein der vorhandenen Wirklichkeit nicht irre machen, und ebenso hat es sich aus dem herumtreiben in lee- ren Gedanken und Zwecken auf den ursprünglichen Inhalt seines Wesens zusammenzuhalten. — Dieser ursprüngliche Inhalt ist zwar erst für das Bewuſst- seyn, indem es ihn verwirklicht hat; der Unterschied aber eines solchen, das für das Bewuſstseyn nur in- nerhalb seiner, und einer auſser ihm an sich seyen- den Wirklichkeit ist hinweggefallen. — Nur daſs für es sey, was es an sich ist, muſs es handeln, oder das Handeln ist eben das Werden des Geistes als Be- wuſstseyn. Was es an sich ist, weiſs es also aus sei- ner Wirklichkeit. Das Individuum kann daher nicht wissen, was es ist, eh es sich durch das Thun zur Wirklichkeit gebracht hat. — Es scheint aber hiemit den Zweck seines Thuns nicht bestimmen zu können, eh es gethan hat; aber zugleich muſs es, in- dem es Bewuſstseyn ist, die Handlung vorher als die ganz seinige, das heiſst, als Zweck vor sich haben. Das ans handeln gehende Individuum scheint sich al- so in einem Kreise zu befinden, worin jedes Mo- ment das andere schon voraussetzt, und hiemit kei- nen Anfang finden zu können, weil es sein ursprüng- liches Wesen, das sein Zweck seyn muſs, erst aus der That kennen lernt, aber um zu thun, vorher den Zweck haben muſs. Ebendarum aber hat es unmit- telbar anzufangen, und unter welchen Umständen
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ken. Diſs Bewuſstseyn, indem es sich zum han-
deln bestimmt, läſst sich also durch den Schein
der vorhandenen Wirklichkeit nicht irre machen,
und ebenso hat es sich aus dem herumtreiben in lee-
ren Gedanken und Zwecken auf den ursprünglichen
Inhalt seines Wesens zusammenzuhalten. — Dieser
ursprüngliche Inhalt ist zwar erst für das Bewuſst-
seyn, indem es ihn verwirklicht hat; der Unterschied
aber eines solchen, das für das Bewuſstseyn nur in-
nerhalb seiner, und einer auſser ihm an sich seyen-
den Wirklichkeit ist hinweggefallen. — Nur daſs
für es sey, was es an sich ist, muſs es handeln, oder
das Handeln ist eben das Werden des Geistes als Be-
wuſstseyn. Was es an sich ist, weiſs es also aus sei-
ner Wirklichkeit. Das Individuum kann daher
nicht wissen, was es ist, eh es sich durch das Thun
zur Wirklichkeit gebracht hat. — Es scheint aber
hiemit den Zweck seines Thuns nicht bestimmen zu
können, eh es gethan hat; aber zugleich muſs es, in-
dem es Bewuſstseyn ist, die Handlung vorher als die
ganz seinige, das heiſst, als Zweck vor sich haben.
Das ans handeln gehende Individuum scheint sich al-
so in einem Kreise zu befinden, worin jedes Mo-
ment das andere schon voraussetzt, und hiemit kei-
nen Anfang finden zu können, weil es sein ursprüng-
liches Wesen, das sein Zweck seyn muſs, erst aus
der That kennen lernt, aber um zu thun, vorher den
Zweck haben muſs. Ebendarum aber hat es unmit-
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/446>, abgerufen am 25.11.2024.
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