sie verwirklicht, ist selbst das Gesetz, und ihre Lust daher zugleich die Allgemeine aller Herzen. Bey- des ist ihr ungetrennt; ihre Lust das gesetzmässige, und die Verwirklichung des Gesetzes der allgemei- nen Menschheit, Bereitung ihrer einzelnen Lust. Denn innerhalb ihrer selbst ist unmittelbar die Indi- vidualität und das Nothwendige Eins; das Gesetz, Gesetz des Herzens. Die Individualität ist noch nicht aus ihrer Stelle gerückt, und die Einheit bey- der nicht durch die vermittelnde Bewegung dersel- ben, noch nicht durch die Zucht zu Stande gekom- men. Die Verwirklichung des unmittelbaren unge- zogenen Wesens gilt für Darstellung einer Vortref- flichkeit und für Hervorbringung des Wohls der Menschheit.
Das Gesetz dagegen, welches dem Gesetze des Herzens gegenübersteht, ist vom Herzen getrennt, und frey für sich. Die Menschheit, die ihm ange- hört, lebt nicht in der beglückenden Einheit des Gesetzes mit dem Herzen, sondern entweder in grausamer Trennung und Leiden, oder wenigstens in der Entbehrung des Genusses seiner selbst bey der Befolgung des Gesetzes, und in dem Mangel des Bewusstseyns der eignen Vortrefflichkeit bey der Ueberschreitung desselben. Weil jene gewalthabende göttliche und menschliche Ordnung von dem Her- zen getrennt ist, ist sie diesem ein Schein, welcher das verlieren soll, was ihm noch zugesellt ist, nem- lich die Gewalt und die Wirklichkeit. Sie mag in
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sie verwirklicht, ist selbst das Gesetz, und ihre Lust daher zugleich die Allgemeine aller Herzen. Bey- des ist ihr ungetrennt; ihre Lust das gesetzmäſsige, und die Verwirklichung des Gesetzes der allgemei- nen Menschheit, Bereitung ihrer einzelnen Lust. Denn innerhalb ihrer selbst ist unmittelbar die Indi- vidualität und das Nothwendige Eins; das Gesetz, Gesetz des Herzens. Die Individualität ist noch nicht aus ihrer Stelle gerückt, und die Einheit bey- der nicht durch die vermittelnde Bewegung dersel- ben, noch nicht durch die Zucht zu Stande gekom- men. Die Verwirklichung des unmittelbaren unge- zogenen Wesens gilt für Darstellung einer Vortref- flichkeit und für Hervorbringung des Wohls der Menschheit.
Das Gesetz dagegen, welches dem Gesetze des Herzens gegenübersteht, ist vom Herzen getrennt, und frey für sich. Die Menschheit, die ihm ange- hört, lebt nicht in der beglückenden Einheit des Gesetzes mit dem Herzen, sondern entweder in grausamer Trennung und Leiden, oder wenigstens in der Entbehrung des Genusses seiner selbst bey der Befolgung des Gesetzes, und in dem Mangel des Bewuſstseyns der eignen Vortrefflichkeit bey der Ueberschreitung desselben. Weil jene gewalthabende göttliche und menschliche Ordnung von dem Her- zen getrennt ist, ist sie diesem ein Schein, welcher das verlieren soll, was ihm noch zugesellt ist, nem- lich die Gewalt und die Wirklichkeit. Sie mag in
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sie verwirklicht, ist selbst das Gesetz, und ihre Lust
daher zugleich die Allgemeine aller Herzen. Bey-
des ist ihr ungetrennt; ihre Lust das gesetzmäſsige,
und die Verwirklichung des Gesetzes der allgemei-
nen Menschheit, Bereitung ihrer einzelnen Lust.
Denn innerhalb ihrer selbst ist unmittelbar die Indi-
vidualität und das Nothwendige Eins; das Gesetz,
Gesetz des Herzens. Die Individualität ist noch
nicht aus ihrer Stelle gerückt, und die Einheit bey-
der nicht durch die vermittelnde Bewegung dersel-
ben, noch nicht durch die Zucht zu Stande gekom-
men. Die Verwirklichung des unmittelbaren unge-
zogenen Wesens gilt für Darstellung einer Vortref-
flichkeit und für Hervorbringung des Wohls der
Menschheit.
Das Gesetz dagegen, welches dem Gesetze des
Herzens gegenübersteht, ist vom Herzen getrennt,
und frey für sich. Die Menschheit, die ihm ange-
hört, lebt nicht in der beglückenden Einheit des
Gesetzes mit dem Herzen, sondern entweder in
grausamer Trennung und Leiden, oder wenigstens
in der Entbehrung des Genusses seiner selbst bey der
Befolgung des Gesetzes, und in dem Mangel des
Bewuſstseyns der eignen Vortrefflichkeit bey der
Ueberschreitung desselben. Weil jene gewalthabende
göttliche und menschliche Ordnung von dem Her-
zen getrennt ist, ist sie diesem ein Schein, welcher
das verlieren soll, was ihm noch zugesellt ist, nem-
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/416>, abgerufen am 22.11.2024.
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