ebenso abstracte Ansichseyn. Diss erscheint hiemit so, dass das Individuum nur zu Grunde gegangen, und die absolute Sprödigkeit der Einzelnheit, an der ebenso harten, aber continuirlichen Wirklich- keit zerstäubt ist. -- Indem es als Bewusstseyn die Einheit seiner selbst und seines Gegentheils ist, ist dieser Untergang noch für es; sein Zweck und seine Verwirklichung, so wie der Widerspruch dessen, was ihm das Wesen war, und was an sich das Wesen ist; -- es erfährt den Doppelsinn, der in dem liegt, was es that, nemlich sein Leben sich genommen zu haben; es nahm das Leben, aber viel- mehr ergriff es damit den Tod.
Dieser Uebergang seines lebendigen Seyns in die leblose Nothwendigkeit erscheint ihm daher als eine Verkehrung, die durch nichts vermittelt ist. Das Vermittelnde müsste das seyn, worin beyde Seiten eins wären, das Bewusstseyn also das eine Moment im andern erkännte, seinen Zweck und Thun in dem Schicksale, und sein Schicksal in sei- nem Zwecke und Thun, sein eigenes Wesen in die- ser Nothwendigkeit. Aber diese Einheit ist für diss Bewusstseyn eben die Lust selbst, oder das einfa- che, einzelne Gefühl, und der Uebergang von dem Momente dieses seines Zwecks in das Moment sei- nes wahren Wesens für es ein reiner Sprung in das Entgegengesezte; denn diese Momente sind nicht im Gefühle enthalten und verknüpft, sondern nur im reinen Selbst, das ein Allgemeines oder das
ebenso abstracte Ansichseyn. Diſs erscheint hiemit so, daſs das Individuum nur zu Grunde gegangen, und die absolute Sprödigkeit der Einzelnheit, an der ebenso harten, aber continuirlichen Wirklich- keit zerstäubt ist. — Indem es als Bewuſstseyn die Einheit seiner selbst und seines Gegentheils ist, ist dieser Untergang noch für es; sein Zweck und seine Verwirklichung, so wie der Widerspruch dessen, was ihm das Wesen war, und was an sich das Wesen ist; — es erfährt den Doppelsinn, der in dem liegt, was es that, nemlich sein Leben sich genommen zu haben; es nahm das Leben, aber viel- mehr ergriff es damit den Tod.
Dieser Uebergang seines lebendigen Seyns in die leblose Nothwendigkeit erscheint ihm daher als eine Verkehrung, die durch nichts vermittelt ist. Das Vermittelnde müſste das seyn, worin beyde Seiten eins wären, das Bewuſstseyn also das eine Moment im andern erkännte, seinen Zweck und Thun in dem Schicksale, und sein Schicksal in sei- nem Zwecke und Thun, sein eigenes Wesen in die- ser Nothwendigkeit. Aber diese Einheit ist für diſs Bewuſstseyn eben die Lust selbst, oder das einfa- che, einzelne Gefühl, und der Uebergang von dem Momente dieses seines Zwecks in das Moment sei- nes wahren Wesens für es ein reiner Sprung in das Entgegengesezte; denn diese Momente sind nicht im Gefühle enthalten und verknüpft, sondern nur im reinen Selbst, das ein Allgemeines oder das
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ebenso abstracte Ansichseyn. Diſs erscheint hiemit
so, daſs das Individuum nur zu Grunde gegangen,
und die absolute Sprödigkeit der Einzelnheit, an
der ebenso harten, aber continuirlichen Wirklich-
keit zerstäubt ist. — Indem es als Bewuſstseyn die
Einheit seiner selbst und seines Gegentheils ist, ist
dieser Untergang noch für es; sein Zweck und
seine Verwirklichung, so wie der Widerspruch
dessen, was ihm das Wesen war, und was an sich
das Wesen ist; — es erfährt den Doppelsinn, der in
dem liegt, was es that, nemlich sein Leben sich
genommen zu haben; es nahm das Leben, aber viel-
mehr ergriff es damit den Tod.
Dieser Uebergang seines lebendigen Seyns in
die leblose Nothwendigkeit erscheint ihm daher als
eine Verkehrung, die durch nichts vermittelt ist.
Das Vermittelnde müſste das seyn, worin beyde
Seiten eins wären, das Bewuſstseyn also das eine
Moment im andern erkännte, seinen Zweck und
Thun in dem Schicksale, und sein Schicksal in sei-
nem Zwecke und Thun, sein eigenes Wesen in die-
ser Nothwendigkeit. Aber diese Einheit ist für diſs
Bewuſstseyn eben die Lust selbst, oder das einfa-
che, einzelne Gefühl, und der Uebergang von dem
Momente dieses seines Zwecks in das Moment sei-
nes wahren Wesens für es ein reiner Sprung in
das Entgegengesezte; denn diese Momente sind
nicht im Gefühle enthalten und verknüpft, sondern
nur im reinen Selbst, das ein Allgemeines oder das
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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/412>, abgerufen am 22.11.2024.
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