Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807.

Bild:
<< vorherige Seite

zelt, ist in seiner Wirklichkeit in das Thun Aller
verschränkt. Die Arbeit des Individuums für seine
Bedürfnisse ist ebensosehr eine Befriedigung der
Bedürfnisse der andern als seiner eignen, und die
Befriedigung der seinigen erreicht es nur durch die
Arbeit der andern. -- Wie der Einzelne in sei-
ner einzelnen Arbeit schon eine allgemeine Arbeit
bewusstlos vollbringt, so vollbringt er auch wieder
die allgemeine als seinen bewussten Gegenstand; das
Ganze wird als Ganzes sein Werk, für das er sich
aufopfert, und ebendadurch sich selbst von ihm zu-
rückerhält. -- Es ist hier nichts, das nicht gegen-
seitig wäre, nichts, woran nicht die Selbstständig-
keit des Individuums sich in der Auflösung ihres
Fürsichseyns, in der Negation ihrer selbst ihre po-
sitive
Bedeutung, für sich zu seyn, sich gäbe. Diese
Einheit des Seyns für anderes oder des sich zum
Dinge Machens, und des Fürsichseyns, diese all-
gemeine Substanz redet ihre allgemeine Sprache in
den Sitten und Gesetzen seines Volks; aber diss
seyende unwandelbare Wesen ist nichts anders,
als der Ausdruck der ihr entgegengesetzt scheinen-
den einzelnen Individualität selbst; die Gesetze spre-
chen das aus, was jeder Einzelne ist, und thut;
das Individuum erkennt sie nicht nur als seine all-
gemeine
gegenständliche Dingheit, sondern ebenso-
sehr sich in ihr, oder als vereinzelt in seiner eig-
nen Individualität und in jedem seiner Mitbürger.
In dem allgemeinen Geiste hat daher jeder nur die

T 2

zelt, ist in seiner Wirklichkeit in das Thun Aller
verschränkt. Die Arbeit des Individuums für seine
Bedürfnisse ist ebensosehr eine Befriedigung der
Bedürfnisse der andern als seiner eignen, und die
Befriedigung der seinigen erreicht es nur durch die
Arbeit der andern. — Wie der Einzelne in sei-
ner einzelnen Arbeit schon eine allgemeine Arbeit
bewuſstlos vollbringt, so vollbringt er auch wieder
die allgemeine als seinen bewuſsten Gegenstand; das
Ganze wird als Ganzes sein Werk, für das er sich
aufopfert, und ebendadurch sich selbst von ihm zu-
rückerhält. — Es ist hier nichts, das nicht gegen-
seitig wäre, nichts, woran nicht die Selbstständig-
keit des Individuums sich in der Auflösung ihres
Fürsichseyns, in der Negation ihrer selbst ihre po-
ſitive
Bedeutung, für sich zu seyn, sich gäbe. Diese
Einheit des Seyns für anderes oder des sich zum
Dinge Machens, und des Fürsichseyns, diese all-
gemeine Substanz redet ihre allgemeine Sprache in
den Sitten und Gesetzen seines Volks; aber diſs
seyende unwandelbare Wesen ist nichts anders,
als der Ausdruck der ihr entgegengesetzt scheinen-
den einzelnen Individualität selbst; die Gesetze spre-
chen das aus, was jeder Einzelne ist, und thut;
das Individuum erkennt sie nicht nur als seine all-
gemeine
gegenständliche Dingheit, sondern ebenso-
sehr sich in ihr, oder als vereinzelt in seiner eig-
nen Individualität und in jedem seiner Mitbürger.
In dem allgemeinen Geiste hat daher jeder nur die

T 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0400" n="291"/>
zelt, ist in seiner Wirklichkeit in das Thun Aller<lb/>
verschränkt. Die <hi rendition="#i">Arbeit</hi> des Individuums für seine<lb/>
Bedürfnisse ist ebensosehr eine Befriedigung der<lb/>
Bedürfnisse der andern als seiner eignen, und die<lb/>
Befriedigung der seinigen erreicht es nur durch die<lb/>
Arbeit der andern. &#x2014; Wie der Einzelne in sei-<lb/>
ner <hi rendition="#i">einzelnen</hi> Arbeit schon eine <hi rendition="#i">allgemeine</hi> Arbeit<lb/><hi rendition="#i">bewu&#x017F;stlos</hi> vollbringt, so vollbringt er auch wieder<lb/>
die allgemeine als seinen <hi rendition="#i">bewu&#x017F;sten</hi> Gegenstand; das<lb/>
Ganze wird <hi rendition="#i">als Ganzes</hi> sein Werk, für das er sich<lb/>
aufopfert, und ebendadurch sich selbst von ihm zu-<lb/>
rückerhält. &#x2014; Es ist hier nichts, das nicht gegen-<lb/>
seitig wäre, nichts, woran nicht die Selbstständig-<lb/>
keit des Individuums sich in der Auflösung ihres<lb/>
Fürsichseyns, in der <hi rendition="#i">Negation</hi> ihrer selbst ihre <hi rendition="#i">po-<lb/>
&#x017F;itive</hi> Bedeutung, für sich zu seyn, sich gäbe. Diese<lb/>
Einheit des Seyns für anderes oder des sich zum<lb/>
Dinge Machens, und des Fürsichseyns, diese all-<lb/>
gemeine Substanz redet ihre <hi rendition="#i">allgemeine Sprache</hi> in<lb/>
den Sitten und Gesetzen seines Volks; aber di&#x017F;s<lb/>
seyende unwandelbare Wesen ist nichts anders,<lb/>
als der Ausdruck der ihr entgegengesetzt scheinen-<lb/>
den einzelnen Individualität selbst; die Gesetze spre-<lb/>
chen das aus, was jeder Einzelne <hi rendition="#i">ist</hi>, und <hi rendition="#i">thut</hi>;<lb/>
das Individuum erkennt sie nicht nur als seine <hi rendition="#i">all-<lb/>
gemeine</hi> gegenständliche Dingheit, sondern ebenso-<lb/>
sehr sich in ihr, oder als <hi rendition="#i">vereinzelt</hi> in seiner eig-<lb/>
nen Individualität und in jedem seiner Mitbürger.<lb/>
In dem allgemeinen Geiste hat daher jeder nur die<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">T 2</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[291/0400] zelt, ist in seiner Wirklichkeit in das Thun Aller verschränkt. Die Arbeit des Individuums für seine Bedürfnisse ist ebensosehr eine Befriedigung der Bedürfnisse der andern als seiner eignen, und die Befriedigung der seinigen erreicht es nur durch die Arbeit der andern. — Wie der Einzelne in sei- ner einzelnen Arbeit schon eine allgemeine Arbeit bewuſstlos vollbringt, so vollbringt er auch wieder die allgemeine als seinen bewuſsten Gegenstand; das Ganze wird als Ganzes sein Werk, für das er sich aufopfert, und ebendadurch sich selbst von ihm zu- rückerhält. — Es ist hier nichts, das nicht gegen- seitig wäre, nichts, woran nicht die Selbstständig- keit des Individuums sich in der Auflösung ihres Fürsichseyns, in der Negation ihrer selbst ihre po- ſitive Bedeutung, für sich zu seyn, sich gäbe. Diese Einheit des Seyns für anderes oder des sich zum Dinge Machens, und des Fürsichseyns, diese all- gemeine Substanz redet ihre allgemeine Sprache in den Sitten und Gesetzen seines Volks; aber diſs seyende unwandelbare Wesen ist nichts anders, als der Ausdruck der ihr entgegengesetzt scheinen- den einzelnen Individualität selbst; die Gesetze spre- chen das aus, was jeder Einzelne ist, und thut; das Individuum erkennt sie nicht nur als seine all- gemeine gegenständliche Dingheit, sondern ebenso- sehr sich in ihr, oder als vereinzelt in seiner eig- nen Individualität und in jedem seiner Mitbürger. In dem allgemeinen Geiste hat daher jeder nur die T 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/400
Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/400>, abgerufen am 25.11.2024.