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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807.

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in sich reflectirendes Seyn, sondern rein unmittelba-
res Seyn
wäre.

Da er ferner auch nicht selbst fühlt, so scheint
sich eine bestimmtere Bedeutung für ihn etwa noch
so ergeben zu können, dass bestimmte Empfindun-
gen durch die Nachbarschafft erkennen liessen, was
mit ihm gemeynt sey; und indem eine bewusste
Weise des Geistes bey einer bestimmten Stelle des-
selben ihr Gefühl hat, wird etwa dieser Ort in sei-
ner Gestalt sie und ihre Besonderheit andeuten. Wie
zum Beyspiel manche bey dem angestrengten Den-
ken oder auch schon beym Denken überhaupt, eine
schmerzliche Spannung irgendwo im Kopfe zu füh-
len klagen, konnte auch das Stehlen, das Morden, das
Dichten und so fort, jedes mit einer eigenen Empfin-
dung begleitet seyn, die ausserdem noch ihre beson-
dere Stelle haben müsste. Diese Stelle des Gehirns,
die auf diese Art mehr bewegt und bethätigt wäre,
würde wahrscheinlich auch die benachbarte Stelle des
Knochens mehr ausbilden; oder diese würde aus
Sympathie oder Consensus auch nicht träge seyn,
sondern sich vergrössern oder verkleinern, oder auf
welche Weise es sey sich formiren. -- Was jedoch
diese Hypothese unwahrscheinlich macht, ist diss,
dass das Gefühl überhaupt etwas unbestimmtes ist,
und das Gefühl im Kopfe als dem Centrum das all-
gemeine Mitgefühl alles Leidens seyn möchte, so
dass sich mit dem Diebs-Mörders-Dichters Kopf-

che andere Seite darstellen sollte, die nicht mehr sich
in sich reflectirendes Seyn, sondern rein unmittelba-
res Seyn
wäre.

Da er ferner auch nicht selbst fühlt, so scheint
sich eine bestimmtere Bedeutung für ihn etwa noch
so ergeben zu können, daſs bestimmte Empfindun-
gen durch die Nachbarschafft erkennen lieſsen, was
mit ihm gemeynt sey; und indem eine bewuſste
Weise des Geistes bey einer bestimmten Stelle des-
selben ihr Gefühl hat, wird etwa dieser Ort in sei-
ner Gestalt sie und ihre Besonderheit andeuten. Wie
zum Beyspiel manche bey dem angestrengten Den-
ken oder auch schon beym Denken überhaupt, eine
schmerzliche Spannung irgendwo im Kopfe zu füh-
len klagen, konnte auch das Stehlen, das Morden, das
Dichten und so fort, jedes mit einer eigenen Empfin-
dung begleitet seyn, die auſserdem noch ihre beson-
dere Stelle haben müſste. Diese Stelle des Gehirns,
die auf diese Art mehr bewegt und bethätigt wäre,
würde wahrscheinlich auch die benachbarte Stelle des
Knochens mehr ausbilden; oder diese würde aus
Sympathie oder Consensus auch nicht träge seyn,
sondern sich vergröſsern oder verkleinern, oder auf
welche Weise es sey sich formiren. — Was jedoch
diese Hypothese unwahrscheinlich macht, ist diſs,
daſs das Gefühl überhaupt etwas unbestimmtes ist,
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gemeine Mitgefühl alles Leidens seyn möchte, so
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[270/0379] che andere Seite darstellen sollte, die nicht mehr sich in sich reflectirendes Seyn, sondern rein unmittelba- res Seyn wäre. Da er ferner auch nicht selbst fühlt, so scheint sich eine bestimmtere Bedeutung für ihn etwa noch so ergeben zu können, daſs bestimmte Empfindun- gen durch die Nachbarschafft erkennen lieſsen, was mit ihm gemeynt sey; und indem eine bewuſste Weise des Geistes bey einer bestimmten Stelle des- selben ihr Gefühl hat, wird etwa dieser Ort in sei- ner Gestalt sie und ihre Besonderheit andeuten. Wie zum Beyspiel manche bey dem angestrengten Den- ken oder auch schon beym Denken überhaupt, eine schmerzliche Spannung irgendwo im Kopfe zu füh- len klagen, konnte auch das Stehlen, das Morden, das Dichten und so fort, jedes mit einer eigenen Empfin- dung begleitet seyn, die auſserdem noch ihre beson- dere Stelle haben müſste. Diese Stelle des Gehirns, die auf diese Art mehr bewegt und bethätigt wäre, würde wahrscheinlich auch die benachbarte Stelle des Knochens mehr ausbilden; oder diese würde aus Sympathie oder Consensus auch nicht träge seyn, sondern sich vergröſsern oder verkleinern, oder auf welche Weise es sey sich formiren. — Was jedoch diese Hypothese unwahrscheinlich macht, ist diſs, daſs das Gefühl überhaupt etwas unbestimmtes ist, und das Gefühl im Kopfe als dem Centrum das all- gemeine Mitgefühl alles Leidens seyn möchte, so daſs sich mit dem Diebs-Mörders-Dichters Kopf-

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Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/379>, abgerufen am 22.11.2024.